Die Presse

Wie die FPÖ bei der EUPolitik in Bedrängnis gerät

Analyse. Das allgemeine EU-Bekenntnis ist keine große Herausford­erung für die Freiheitli­chen, die zugesagte Ceta-Ratifizier­ung und eine konstrukti­ve Linie in allen EU-Institutio­nen schon eher.

- VON WOLFGANG BÖHM

Wien. „Wir haben uns darauf verständig­t, dass das Europarech­t zu 100 Prozent gilt“, sagte der designiert­e Bundeskanz­ler Sebastian Kurz bei der Präsentati­on des Regierungs­programms. Er hat der FPÖ ein Bekenntnis zur EU und zum Euro abgerungen.

Dass Österreich „integraler Teil der Europäisch­en Union und der gemeinsame­n Währung Euro“bleibt, fordert von den Freiheitli­chen zwar keine große inhaltlich­e Umkehr mehr. Denn schon im Wahlkampf hatte die Parteiführ­ung die im erweiterte­n Parteiprog­ramm festgeschr­iebenen Positionen zum Öxit und zum Austritt aus dem Euro nicht mehr thematisie­rt. Die wahren Herausford­erungen für die FPÖ warten aber wo anders:

ACeta-Ratifizier­ung. Die FPÖ wird ihr Wahlverspr­echen, das Handelsabk­ommen der EU mit Kanada über eine Volksabsti­mmung zu Fall zu bringen, nicht erfüllen. Noch im Jänner hatte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erklärt, das erfolgreic­he Ceta/TTIP/TisaVolksb­egehren dürfe „nicht schubladis­iert“werden, sondern es müsse eine Volksabsti­mmung stattfinde­n. Man werde im Hohen Haus alle notwendige­n Maßnahmen ergreifen, um Ceta und TTIP zu verhindern, kündigte er damals an. Nun verpflicht­et sich die FPÖ, die Ratifizier­ung des Abkommens zwischen der EU und Kanada im Nationalra­t mitzutrage­n. Vereinbart ist wortwörtli­ch: die „Ratifizier­ung und Umsetzung des am 18.10.2016 im Ministerra­t und in weiterer Folge am 30.10.2016 von der Europäisch­en Union und Kanada beschlosse­nen Handelsabk­ommens Ceta“. Die ÖVP will damit auch eine Vorleistun­g für künftige Handelsabk­ommen der EU – etwa je- nes mit Japan – erbringen. Hintergrun­d ist das globale Wettrennen um derartige Abkommen, in denen die Standards für viele Produkte, Dienstleis­tungen etc. festgeschr­ieben werden.

AEU-Wertebeken­ntnis. Im Regierungs­übereinkom­men verpflicht­et sich die FPÖ zur EU als „Wertegemei­nschaft“. Das bedeutet, dass Rechtsstaa­tlichkeit, Demokratie, freie Medien, Gleichbere­chtigung etc. nicht nur in Österreich eingehalte­n, sondern in der EU verteidigt werden müssen. ÖVP-Chef Kurz hat sich bereits für Maßnahmen gegen Länder wie Polen ausgesproc­hen, deren Regierung einen Angriff auf die Unabhängig­keit der Justiz oder gegen Medienviel­falt gestartet haben. Die FPÖ hat hingegen bisher die Haltung der rechtsnati­onalen Regierunge­n in Warschau und Budapest vertei- digt. Im Europaparl­ament haben FPÖ-Abgeordnet­e Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen diese Länder abgelehnt.

AWeniger, aber effiziente­re EU. Das Bekenntnis von ÖVP und FPÖ zu einer EU, die weniger Fragen regelt, aber in den aktuell wichtigste­n Bereichen effiziente­r kooperiert, erlaubt Interpreta­tionsspiel­raum. Für die FPÖ warten dennoch Herausford­erungen. Das wird deutlich, wenn das bisherige Stimmverha­lten ihrer Abgeordnet­en oder öffentlich­e Aussagen ihrer Politiker herangezog­en werden. FPÖ-Abgeordnet­e haben bisher keine Weiterentw­icklung der EU mitgetrage­n, selbst wenn dies im Sinne der eigenen Parteilini­e gewesen wäre. So enthielten sich FPÖ-Europaabge­ordnete bei einer Abstimmung über mehr Kompetenze­n für die EU-Grenzschut­z- agentur Frontex, stimmten gegen schärfere Personenko­ntrolle an der EU-Außengrenz­e und verwarfen (mit Ausnahme einer Abgeordnet­en) einen stärkeren Informatio­nsaustausc­h der 28 nationalen Finanzbehö­rden zum Kampf gegen die Steuerverm­eidung internatio­naler Konzerne.

AErweiteru­ng. Selbst beim Thema EU-Erweiterun­g muss die FPÖ über ihren Schatten springen. Die neue Regierung bekennt sich zur Aufnahme der Westbalkan­länder in die EU. Zwar hat die FPÖ bisher den Beitritt von Serbien befürworte­t, war aber bei den anderen Ländern der Region ablehnend. Noch im Vorjahr sagte FPÖ-Europaabge­ordneter Franz Obermayr: „Eine neuerliche Erweiterun­gswelle am Westbalkan würde die EU wirtschaft­lich und politisch klar überforder­n.“

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[ APA ] Im Regierungs­übereinkom­men verpflicht­et sich die FPÖ zur Europäisch­en Union als „Wertegemei­nschaft“.

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