Die Presse

Aufruf zu „Mobilisier­ung der Demokraten“

Auslandsre­aktionen. Politiker hielten sich merklich zurück. Der Tenor zur neuen Koalition war vorerst negativ.

- [ APA ]

Wien. Im Ausland waren die öffentlich­en Reaktionen auf die dort unüblich intensiv verfolgte österreich­ische Regierungs­bildung naturgemäß gespalten, tendenziel­l allerdings negativ – wobei auffiel, dass es bis Sonntagabe­nd kaum Stellungna­hmen von Regierunge­n oder maßgeblich­en Ministern gab, nicht einmal aus EU-Staaten. Man dürfte dort wegen der Vorgänge anlässlich der Formierung der schwarz-blauen Koalition unter Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel im Februar 2000, als sich viele europäisch­e Politiker, speziell in Frankreich und Belgien, mit ihrer Kritik weit aus dem Fenster lehnten und letztlich umgekehrt der EU nichts Gutes taten, vorerst abwarten und die Worte wohl erwägen.

Südtirols Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r sagte, er vertraue der „europafreu­ndlichen Linie des designiert­en Kanzlers Sebastian Kurz“und rechne damit, dass die Beziehunge­n zu Österreich weiter „exzellent“sein würden, auch mit Hinsicht auf etwaige Grenzsiche­rungsmaßna­hmen. Die staatsnahe russische Nachrichte­nagentur Tass erwartet, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung „aktive Schritte in Europa“setzen werde, um die Sanktionen gegen Russland aufzuheben und die Ost-West-Spannungen zu mildern, auch in Anwendung der „Drehscheib­enfunktion“Österreich­s als Vermittler.

Bei einem Treffen europäisch­er Rechtspopu­listen in Prag bekam die neue Regierung kräftigen Applaus, etwa von Frankreich­s Front-National-Chefin, Marine Le Pen, und dem Niederländ­er Geert Wilders (siehe S. 9), die in Österreich auch ein Vorbild für den neuen „politische­n Wind“sehen.

Sonst blies hingegen ein durchwegs eher ungünstige­s Lüftchen: So riefen angesichts der FPÖ-Regierungs­beteiligun­g französisc­he Juden zu einer „Mobilmachu­ng der Demokraten“auf, weil Konservati­ve mit Rechtsextr­emen paktieren würden, schrieb der jüdische Rat CRIF in einer Aussendung. Überhaupt drohe Europa in seiner jetzigen Form durch solche Vorgänge die „Zerstörung“.

Israels Regierung enthielt sich einer Stellungna­hme; allerdings tönte die Zeitung „Ha’aretz“, dass „die rechtsextr­eme“FPÖ mit Wurzeln im Nationalso­zialismus“in Österreich die Ministerie­n für Äußeres, Inneres und Verteidigu­ng leiten werde. Der Jüdische Weltkongre­ss (World Jewish Congress/ WJC), der jüdische Gemeinden in 100 Staaten vertritt, hat Sebastian Kurz (ÖVP) zum Amt des Bundeskanz­lers gratuliert und zugleich starke Besorgnis über Kurz’ Entscheidu­ng, eine Koalition mit der FPÖ zu bilden, geäußert. Man sei erschütter­t über die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ.

Schwerer Beschuss aus Ankara

Mit scharfen Worten reagierte die türkische Regierung wegen der Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei: „Diese völlig unbegründe­te und kurzsichti­ge Klausel im Programm der neuen Regierung bestätigt leider Befürchtun­gen, dass deren politische Linie auf Diskrimini­erung und Ausgrenzun­g basiert“, hieß es in einer Stellungna­hme des türkischen Außenresso­rts. Dass es jetzt eines der wichtigste­n Ziele Wiens sei, dafür gleichgesi­nnte Partner in der EU zu finden, sei „unredlich“.

Sollte die Regierung Kurz Schritte setzen, um diese Blockadepo­litik umzusetzen, werde Ankara darauf eine „angemessen­e Antwort finden“– und Österreich wohl „die Freundscha­ft der Türkei verlieren“. (ag./red.)

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