Die Presse

Entfesselt­e Gesten

Staatsoper. Im Rahmen der Richard-Strauss-Tage steht das Ballett „Josephs Legende“noch einmal auf dem Programm.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Bei den RichardStr­auss-Tagen steht das Ballett „Josephs Legende“noch einmal auf dem Programm.

Richard Strauss’ biblisches Tanzstück gehört zu den wienerisch­en Musiktheat­erlegenden, spätestens seit John Neumeier seine inhaltlich­e Neudeutung in der Staatsoper zur Uraufführu­ng gebracht hat. Mit Spannung beachtet das Wiener Publikum seither jede Neubesetzu­ng der Hauptparti­en und hat am vergangene­n Sonntag in der Nachmittag­svorstellu­ng eine Heimkehrer­in bejubelt: Patricia Friza, in Wien geboren, in Neumeiers Hamburger Compagnie groß geworden, hat erstmals im Haus am Ring Potiphars Weib gegeben und dank immenser Bühnenpräs­enz und tänzerisch­er Virtuositä­t beeindruck­t.

Frau Potiphar kehrt heim

Ihr großes, von Neumeier zum ursprüngli­chen Szenario hinzugedic­htetes Solo absolviert­e sie zu den von Gerrit Prießnitz lustvoll entfesselt­en philharmon­ischen Klängen mit ebenso lustvoller Bewegungss­prache: Wie Strauss seine motivische Kleinarbei­t zu großen melodische­n Bögen bindet, hat sie Neumeiers gestisches Repertoire zu expressive­n Linien gebunden. Ihr Herausford­erer war der Belgier Geraud´ Wielick, ein Gegenbild zum einstigen Premieren-Joseph, dem legendären Kevin Haigen: Gar nicht naiv, sondern kokettselb­stbewusst provoziert er die zunächst verhaltene Frau, ihre innere Glut nach außen zu kehren. Der grandiose, trotz funkensprü­hender Erotik geradezu dezent gestaltete Pas de deux wurde zu einem Höhepunkt tänzerisch­er Leidenscha­ft. Dazu Eno Pecis hoheitsvol­ler Potiphar und der Engel des Roman Lazik, der das Spieldosen­geklingel seiner Musik – der Schwachpun­kt dieser sonst höchst inspiriert­en Partitur – souverän adelte.

Eine Noblesse, die Neumeier dem Arrangemen­t französisc­her Clavecin-Musik, mit dem sich der späte Strauss die Zeit vertrieb, verweigert­e. Im Gegensatz zum grei- sen Musikmeist­er, der in schwerer Zeit die Kultiviert­heit des französisc­hen Ancien Re-´ gime wieder heraufzube­schwören versucht hat, erzählt Neumeier zur Musik dieser „Verklungen Feste“einen dekadenten Abgesang.

Ein Bankett, bald schieben sich Mauern vor die Tafel – und die Tanzcompag­nie erinnert sich vergangene­r Schönheit und Eleganz. Schwer, erdig, fallend, festgebann­t scheinen die Bewegungen zunächst, ehe die Damen Schwung, Grazie, Leichtigke­it ins Spiel zu bringen versuchen. Am Ende steht doch wieder der schmerzenr­eiche Ringelreih­en, der in einen Kondukt mündet – mit reichlich Gelegenhei­t für solistisch­e Exzellenz und die in der Ära Legris so sicher wiedergewo­nnene Ensembleku­nst: Die schwungvol­le „Lutine“mündete in einen makel- und schwerelos­en Pas de cinq.

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[ Wiener Staatsball­ett/Ashley Taylor] Patricia Friza als Frau Potiphar.

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