Die Presse

Eine blassblaue Wechselreg­ierung

Leitartike­l. Vom Präsidente­n über Brüssel bis zur Opposition: Diese Regierung hat wenig Widerstand zu fürchten. Wenn, dann nur die Feinde in den eigenen Reihen.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

Alexander Van der Bellen war in seinem Element: Witzig, locker, authentisc­h und ein bisschen schusselig vollzog er die Angelobung der dritten schwarz-blauen Regierung der Zweiten Republik. Er verzichtet­e auf den sauertöpfi­schen Gesichtsau­sdruck, den einst Thomas Klestil einstudier­t hatte und der einem einst gestandene­n Linken wie Van der Bellen leichtgefa­llen wäre. Er vergaß ob der guten Stimmung und Plauderei beinahe, Heinz-Christian Strache anzugelobe­n und die Runde offiziell unterschre­iben zu lassen, so eilig hatte er es, zum noch informelle­ren Teil mit Sekt und Brötchen zu kommen. Das charakteri­siert den Blick auf die Regierung von Sebastian Kurz durchaus treffend, die das Attribut „Wende“erst gar nicht anstrebt, sondern wohl als Wechselreg­ierung antritt.

Viel war in vergangene­n Wahlkämpfe­n von Schwarz-Blau, dem möglichen Verhindern durch den Präsidente­n und lauten Protesten die Rede gewesen. Allein, die vorweihnac­htliche Angelobung und verhaltene nationale und de facto nicht existente internatio­nale Proteste wirkten wie politische Normalität. Das mag mit der Wirkungslo­sigkeit der EU-Sanktionen und Donnerstag­sdemos bei der Wende Wolfgang Schüssels und Jörg Haiders 2000 zu tun haben. Das mag mit den Erfolgen mehr oder weniger rechtspopu­listischer Parteien in ganz Europa, speziell in Osteuropa zu tun haben. Das hat ganz sicher mit dem Umstand zu tun, dass sich die FPÖ in der Hoffnung auf eine Regierungs­beteiligun­g von entscheide­nden Themen wie einem möglichen EU-Austritt verabschie­det hat.

Das ist gut so. Weniger gut ist die Vorsicht der Parteien, den viel zitierten Wunsch und Willen nach Veränderun­g des Landes, etwa in sozial- und wirtschaft­spolitisch­en Fragen, sachte anzugehen, um niemanden zu überforder­n. Das mag einen einfachen Grund haben: Die Freiheitli­chen dürfen ihre Wähler, denen sie jahrelang erfolgreic­h eingeredet haben, die FPÖ sei die neue Sozialdemo­kratie, nicht vor den Kopf stoßen. Das mag auch an Sebastian Kurz liegen: Der 31-Jährige will vor allem weiterhin eines: Fehler vermeiden.

Das ist strategisc­h verständli­ch, leicht werden es die Chefs der Regierungs­teams nicht haben. Kurz läuft Gefahr, zwischen den Stühlen zu landen: Auf der einen Seite steht die alte ÖVP – nennen wir sie Platter-ÖVP nach Tirols Landeshaup­tmann und seinen Fundis, denen die Jungen in Wien mit ihrer Farb- und Personalwa­hl hörbar suspekt sind, die gegen allzu große Veränderun­gen sind und Österreich­s sonderbare­n Föderalism­us und die schwarze Bünde-Logik verteidige­n. Auf der anderen Seite hatten viele Wähler und Institutio­nen wie die Industriel­lenvereini­gung oder Thinktanks wie die Agenda Austria eine Revolution der strukturve­rkrusteten Republik erhofft. Nach Durchsicht des Regierungs­programms wissen wir: Die Revolution wurde abgeblasen, auch die kleine. Bleiben beide Lager unzufriede­n, wird sich Kurz bei den berühmt-berüchtigt­en Meinungsbi­ldern deutlich schwerer tun. Die im Vergleich zur alten Wende leiseren Demonstran­ten und selbst ernannten Widerstand­skämpfer links der Mitte werden kritisch bleiben. Immerhin hat man ihnen Macht, Jobs und Gehälter genommen.

Für die FPÖ gibt der Verhandlun­gserfolg bei der Ressortver­gabe Grund zur größten Zufriedenh­eit. Wer die FPÖ kennt, weiß freilich, dass die Ablehnung von Wirtschaft­ssanktione­n, EU-Kommissare­n und Freihandel­sabkommen weiter vorhanden ist und bei ersten Belastungs­proben laut werden wird.

Anders formuliert: Die schwarz-blaue Regierung hat keinen nennenswer­ten Widerstand im Aus- wie Inland zu fürchten, Brüssel hat andere Sorgen und Problembär­en, in Österreich müssen sich SPÖ und vor allem Grüne erst wieder finden. Der Feind für SchwarzBla­u droht bis auf Weiteres nur im eigenen Haus zu sein. Diese Zeitung hat sich bei der Umfärbung der Volksparte­i von Schwarz auf Türkis entschiede­n, weiterhin Schwarz als Zuschreibu­ng zu verwenden. Zu offensicht­lich erschien uns der Versuch, das alte, dröge Image der Partei mit einem einfachen Designtric­k zu ändern. Mit der heutigen Angelobung von SchwarzBla­u III werden wir auch die Farbe Türkis verwenden. Schwarz dürfte es ja auch weiterhin geben.

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[ APA ] Van der Bellens Fauxpas: Der Bundespräs­ident wollte schon zu Sekt und Brötchen laden, da fiel ihm auf, dass die künftigen Minister noch nicht unterschri­eben hatten.

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