Die Presse

Südamerika wendet sich zunehmend von der Linken ab

Chile. Der Mitte-rechts-Kandidat Sebasti´an Pinera˜ entschied die Präsidente­nwahl für sich. Der Milliardär ist ein glühender Verfechter des Freihandel­s.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Santiago. Es war ein Ausbruch der Erleichter­ung, der sich am Sonntagabe­nd in Santiagos bürgerlich­en Wohnvierte­ln Luft machte. Mit Hupkonzert­en feierten viele Bürger das Ergebnis der Stichwahl, die Sebastia´n Pin˜era mit mehr als neun Prozentpun­kten Vorsprung vor dem sozialisti­schen Kandidaten, Alejandro Guillier, gewann. Lange hatten die Demoskopen ein hauchdünne­s Ergebnis prophezeit, im Nobelviert­el Las Condes ging gar die Furcht vor einem linken „Chilezuela“um.

Doch am Ende setzte sich der 68-jährige Mitte-rechts-Kandidat Pin˜era durch. Seine 54,6 Prozent reflektier­en Südamerika­s Hinwen- dung zu wirtschaft­sfreundlic­hen Regierunge­n. Vor zwei Jahren siegte in Argentinie­n Mauricio Macri mit drei Punkten Differenz, enger war 2016 der Wahlsieg von Pedro Pablo Kuczynski in Peru mit kaum einem Prozentpun­kt Abstand. Brasiliens liberale – und unpopuläre – Regierung Temer kam durch die Absetzung der glücklosen Linken Dilma Rousseff an die Macht.

Pin˜era ist privat seit Jahren eng befreundet mit Argentinie­ns Präsidente­n, Mauricio Macri, daher ist aus dem Süden des Kontinents nun eine sehr geeinte Position zu erwarten, vor allem, was die Haltung zu Venezuela angeht. Wie Macri ist Sebastia´n Pin˜era ein glühender Verfechter des Freihandel­s, daher ist zu erwarten, dass Argentinie­ns Annäherung an die Pazifikall­ianz fortschrei­ten dürfte. Im Wahlkampf hatte Pin˜era die Schaffung von 600.000 neuen Jobs angekündig­t sowie einen ähnlichen Investitio­nsboom wie während seiner ersten Amtszeit 2010 bis 2014. Damals profitiert­e er von hohen Kupferprei­sen. Das Buntmetall macht bis heute die Hälfte aller Exporterlö­se aus. Nun könnte er abermals Fortüne haben, denn die Kurse für den Rohstoff Nummer eins sind zuletzt wieder gestiegen.

Keine Mehrheit im Parlament

Viele in der Wirtschaft erwarten, dass Pin˜era nun Steuern senkt, doch dafür dürfte dem ab 1. März regierende­n Milliardär der Spielraum fehlen. Im Parlament konnte seine Koalition Chile vamos nur 72 der 155 Sitze erobern, Pin˜era fehlen also sechs Mandate zu einer Mehrheit. Allerdings werden sämtliche weiteren Sitze von Parteien links der Mitte besetzt sein.

Pin˜era wird also einen Teil seiner Gegner für seine Politik gewinnen müssen. Darum betonte er bei der Wahlfeier im Hotel Plaza Browne in Santiago eher allgemeine Ziele: „Gemeinsam können wir Chile in ein entwickelt­es Land verwandeln. Ein Chile ohne Armut, das dem gesamten Volk Chancen offeriert. Chile wird auf den Weg zu Fortschrit­t und Entwicklun­g zurückfind­en.“Während seine Anhänger den Präsidente­n immer wieder mit „Chile ist gerettet“unterbrach­en, bekamen die Reporter aus der engen Umgebung des Wahlsieger­s gesagt: „Das Regieren wird wohl sehr schwierig werden.“

 ?? [ Imago ] ?? Sebastian´ Pinera˜ war schon einmal Chiles Präsident (2010–14). Nun folgt er erneut Michelle Bachelet als Staatschef nach.
[ Imago ] Sebastian´ Pinera˜ war schon einmal Chiles Präsident (2010–14). Nun folgt er erneut Michelle Bachelet als Staatschef nach.

Newspapers in German

Newspapers from Austria