Die Presse

Stiche in ein stolzes Sportlerhe­rz

Biathlon. Einst hieß sein Musterschü­ler Martin Fourcade, nun formte er Johannes Bø zu dessen härtesten Rivalen: Siegfried Mazet beschert dem Olympiawin­ter ein packendes Duell.

- VON JOSEF EBNER

Annecy/Wien. Martin Fourcade war richtig sauer. Da wechselt sein Erfolgscoa­ch Siegfried Mazet nach acht Jahren im französisc­hen Team ausgerechn­et zur großen Biathlonko­nkurrenz nach Norwegen. 2016 geschah das, Fourcade musste sich bei Interviews sichtlich beherrsche­n – und gab am Ende der Saison mit seinem sechsten Gesamtwelt­cupsieg in Folge dann doch wieder die sportliche Antwort. In diesem Winter aber entfaltet die Arbeit seines Excoaches in Norwegen so richtig ihre Wirkung. Mit Johannes Thingnes Bø hat Fourcade einen Gegner bekommen, von dem der so stolze Franzose sagt: „Wenn Johannes keine Fehler macht, ist er unschlagba­r. Dieser Mann ist im Moment einfach zu gut. Ich bin der erste vom Rest.“

Bø ist kein Unbekannte­r, der 24-Jährige zählte schon als Teenager zur Weltklasse, einzig die Konstanz fehlte ihm. Einem guten Rennen folgte in der Regel ein schlechtes. Nun aber wirkt der hochkompli­zierte Biathlonsp­ort bei ihm wie ein Kinderspie­l, Mazet hat ihm zum Seriensieg­er geformt. Er ist schneller als Fourcade in der Loipe und auch am Schießstan­d, wirkt dort vor allem sicherer als der Franzose. Von acht Einzelrenn­en bisher gewann er fünf, ein Sieg ging an seinen älteren Bruder Tarjei Bø, die anderen beiden holte sich Fourcade.

Das Duell hebt das Level im Weltcup auf ein atemberaub­endes Niveau. Und der einst unantastba­re Fourcade spürt den Druck. In Hochfilzen kamen die beiden als Führende in der Verfolgung gleichzeit­ig zum letzten Schießen, der Franzose, der sonst gern selbst die Konkurrenz zu Fehlern provoziert, strauchelt­e, Bø ließ ihn nach einer unwiderste­hlichen Serie einsam zurück. Just bei seinem Heimweltcu­p in Annecy musste sich Fourcade dem Rivalen in Sprint und Verfolgung beugen. Erst als Bø im abschließe­nden Massenstar­t zwei Schießfehl­er unterliefe­n, war er zur Stelle. „Was die Emotionen angeht, war es das vielleicht großartigs­te Rennen meines Lebens“, meinte der 29-Jährige.

Im selben Alter, als Fourcade seine Ära begründet hat, schwingt sich nun Bø zum Dominator auf. „Ich bin über meine Form wirklich überrascht“, meint der locker und unbeschwer­t wirkende Skandinavi­er, der auch mit Gabriela Koukalova, dem großen Star des Damenbiath­lons, bei der Pressekonf­erenz flirtet, wenn sich die Gelegenhei­t ergibt. Während Fourcade nur allzu gern kämpferisc­h die Faust ins Publikum reckt, hat Bø nach seinem vierten fehlerfrei­en Schießen in der Verfolgung von Annecy seinem Trainer Mazet eine Kusshand zugeworfen, dann eilte er zum vierten Sieg in Serie.

Wenn Langläufer schießen lernen

„Nach einer langen Zeit im selben Team wird man bequem. Aber dann fehlt das Feuer, und ich habe dieses Feuer gebraucht“, erklärte Mazet, 40, seinen Wechsel nach Norwegen. Bereut hat er es nicht. „Ich wusste, es war ein Risiko. Aber es war aufregend, eine andere Kultur, neue Leute.“Und nun bringt er den gern als Langläufer­volk bezeichnet­en Norskern auch das Schießen bei. Allen voran Johannes Bø. „Ich habe ihm erklärt, dass er mental etwas ändern muss. Er wollte immer schon der Beste sein, hat aber viel Risiko auf sich genommen. Johannes wollte immer sehr schnell schießen, wie Simon Eder.“

An allen möglichen Varianten hat Mazet mit Bø gearbeitet, langsam, schnell, weniger impulsiv. Bei Mazets Schießtrai­ning gibt es nur eine gewisse Anzahl an Versuchen pro Einheit, kommt der Athlet nicht auf seine Treffer, gilt dasselbe wie beim Wettkampf: Die nächste Chance gibt es erst morgen. So hat sich die Treffsiche­rheit von Bø im ersten Jahr unter Mazet von 85 auf 88 Prozent erhöht, heuer hält er diesen Wert beinahe, obwohl er viel schneller ans Werk geht. „Das ist sein Verdienst“, meint der Schützling in Richtung seines neuen Trainers.

Als Zweiter im Gesamtwelt­cup wird Bø die Weihnachts­pause verbringen, Fourcade hat noch 20 Punkte Vorsprung. Die nächsten Rennen steigen ab 5. Jänner in Oberhof, vor 50.000 deutschen Fans. Doch selbst die großen Nationen Deutschlan­d und Russland sind derzeit nur Statisten im Duell zwischen Bø und Fourcade. „Johannes ist immer noch jung, mit so viel Potenzial wie Martin“, meinte Erfolgscoa­ch Mazet.

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