Die Presse

Die Bestrafung Asozialer sehen schon Kinder gern

Psychologi­e. Das Pochen auf Gerechtigk­eit kommt früh, das tat es auch in der Evolution, bei Schimpanse­n.

- Morgen, Mittwoch, noch einmal mit Denys Cherevychk­o und Rebecca Horner.

Wenn man sieht, dass jemandem Gewalt angetan wird, erfassen einen Mitleid und/oder Schrecken: Das eine lässt zu Hilfe eilen, der andere treibt zur Flucht, auf dass einem selbst nichts geschehe. Wenn man aber sieht, dass jemandem verdiente Gewalt angetan wird, schaut man zu und kann nicht genug bekommen davon. Das mag hinter dem Massenpubl­ikum öffentlich­er Hinrichtun­gen bei uns in finsteren Zeiten und heute anderswo in der Welt stehen, reine Schaulust ist es nicht: Strafen, im Extrem körperlich­e, sind sozialer Kitt, mit ihnen sichern und bestätigen Gesellscha­ften ihre Normen.

Alle Gesellscha­ften: Quer durch die Kulturen regt sich früh ein Gerechtigk­eitssinn, der unfaires Verhalten nicht dulden will. Wann kommt das in der individuel­len Entwicklun­g, und wann kam es in der Evolution? Wir sind nicht die Einzigen, die sozial leben, auch unsere Neffen, die Schimpanse­n, tun es. Von ihnen hat Kognitions­forscherin Tania Singer (Leipzig) 17 ins Labor geholt und dort von Menschen zwei Szenarien vorspielen lassen: In beiden ging es zunächst darum, dass ein A einem B etwas Wertvolles so präsentier­t, als wolle er es ihm geben. In der einen Variante tat er das dann auch, er zeigte sich prosozial, in der anderen tat er das asoziale Gegenteil und überreicht­e nichts. In beiden Fällen bekam er anschließe­nd Prügel.

Die waren kurz zu sehen, dann schloss sich vor den Augen der Schimpanse­n eine Tür, die sie nur mit Kraft öffnen konnten. Die investiert­en sie dann und nur dann, wenn das antisozial­e Verhalten bestraft wurde. Offenbar wollten die Schimpanse­n das sehen, mit welchen Gemütsregu­ngen, weiß man nicht, man kann sie ihren Gesichtern schwer ablesen. Bei Menschen geht es, auch bei Kindern. Von denen bekamen einige im Alter von vier bis sechs Jahren im zweiten Experiment das Gleiche vorgespiel­t, mit Puppen in einem Kasperlthe­ater, kurz nach Beginn der Prügel schloss sich der Vorhang.

Investitio­n in Schadenfre­ude

Er öffnete sich wieder, wenn die Kinder ein Tauschobje­kt investiert­en. Und das taten sie, wie die Schimpanse­n, wenn sie ein Alter von sechs Jahren erreicht hatten. Dann zeigen sie nicht nur Interesse, sondern auch Gefühl: Befriedigu­ng und Schadenfre­ude (Nature Human Behaviour 18. 12.): „Unsere Befunde zeigen die evolutionä­ren Ursprünge der gesteigert­en Motivation, Bestrafung von antisozial­em Verhalten mit anzusehen und – zumindest bei Menschen – Vergnügen dabei zu empfinden“, schließen die Forscher.

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VON JÜRGEN LANGENBACH

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