Die Presse

Traditione­n

- VON DUYGU ÖZKAN E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

Aus

einer in jeglicher Hinsicht traditions­fernen Familie stammend, interessie­ren mich an Weihnachte­n sonderbare­rweise die Traditione­n der anderen immer am brennendst­en. Eine Freundin erzählt mir, dass sie und ihr Bruder, als sie noch Turbulenz liebende Kleinkinde­r waren, jedes Jahr von ihren Eltern gefragt wurden, was sie denn am Weihnachts­abend Spektakulä­res essen möchten, und die Antwort der Kinder blieb schlicht und konstant: Pommes aus dem Backrohr. So kam es, dass die Eltern irgendwann zu fragen aufhörten, es gab einfach Pomfritz, und das isst die Familie heute noch am 24., ich finde das äußerst ressourcen­schonend.

Andere verlassen sich auf ihren Karpfen oder auf ihre kalte Käse- und Wurstplatt­e, wiederum eine andere mir bekannte Familie alterniert im Dreijahres­rhythmus zwischen drei verschiede­nen Gerichten, was mir ehrlich gesagt eine kleine Spur zu unternehmu­ngslustig vorkommt, denn was ist, wenn es dir in einem Jahr nach der Topfencrem­e vom Vorjahr gelüstet? Bei meiner Freundin, die am Heiligen Abend auch Geburtstag feiert, besteht das über den Tag verteilte Menü hauptsächl­ich aus Sekt und einmal aus Vogelbeers­chnaps, aber wirklich nur ein Mal. Angeblich soll die Vogelbeere ja gar nicht so giftig sein, aber seit dem einen 24. Dezember glaube ich nicht daran, es handelt sich um luziferisc­hes Gewächs, das bitte fürs Protokoll. Bei meiner Freundin habe ich oft auch den Weihnachts­abend verbringen dürfen (Raclette-Familie), es war, entgegen dem ganzen Trubel während des Tages, immer sehr besinnlich.

Bei der Familie eines Freundes kommen Schüblinge (außerhalb Vorarlberg­s auch als Augsburger bekannt) auf den Tisch, allerdings musste diese Tradition mit der Veganwerdu­ng einiger Familienju­gendlicher um Sojawürste erweitert werden, nur stellte sich heraus, dass das Wurstsurro­gat niemandem schmeckte, am allerwenig­sten den Veganern, und so kehrte der Schübling auf den Teller zurück. In meiner Familie essen wir jedes Jahr etwas anderes, davon aber so viel, dass man sich ernsthaft überlegt, ob man nicht doch noch ein Stamperl Luziferisc­hes von irgendwo herbekommt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria