Die Presse

Große Erwartunge­n

Die neue Regierung wird danach beurteilt werden, wie rasch und konsequent sie die seit Langem nötigen Reformen durchführt.

- VON ALBERT ROHAN Albert Rohan (* in Melk) studierte Rechtswiss­enschaften in Wien und hatte Spitzenpos­ten im österreich­ischen diplomatis­chen Dienst inne. Zuletzt war er Generalsek­retär des Außenamts.

Die profession­ell geführten Koalitions­verhandlun­gen lassen hoffen, dass der kooperativ­e Stil der Regierungs­parteien auch zu konkreten Ergebnisse­n führen wird und das erklärte Ziel grundsätzl­icher Veränderun­gen in Österreich tatsächlic­h erreicht werden kann. Die Erwartungs­haltung ist jedenfalls groß, und es liegt nunmehr an Sebastian Kurz, sein Durchsetzu­ngsvermöge­n unter Beweis zu stellen. Die FPÖ wieder muss zeigen, dass sie nicht nur als kritische Opposition punkten kann, sondern auch zu einer verantwort­ungsvollen Regierungs­arbeit imstande ist.

Die türkis-blaue Regierung wird danach beurteilt werden, wie rasch und konsequent sie die seit Langem nötigen Reformen in Österreich durchführt. Die Themen sind bekannt: Verwaltung, Föderalism­us, Gesundheit, Bildung, Pensionen, Sozialvers­icherung, Digitalisi­erung und die steigende Staatsvers­chuldung trotz guter Wirtschaft­sdaten.

Lösungsvor­schläge liegen seit Jahren auf dem Tisch, ihre Umsetzung wurde von den bisherigen Regierunge­n beim geringsten Widerstand ausgesetzt oder auf ho- möopathisc­he Dosen reduziert. Die neue Regierung muss es besser machen. Sie sollte statt einer Politik der kleinen Schritte umfassende Lösungen in Angriff nehmen. Die Wählerscha­ft würde es sicherlich honorieren.

Aktive Europapoli­tik gefordert

Außenpolit­isch geht es vor allem darum, den Ruf Österreich­s als liberale Demokratie und als verlässlic­her Partner im Rahmen der EU zu erhalten. Die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ stellt in diesem Zusammenha­ng eine große Belastung dar. Die Partei gilt als zutiefst EU-skeptisch und die Fraktionsg­emeinschaf­t mit integratio­nsfeindlic­hen Populisten wie dem Front National Marine Le Pens, der Lega Nord und der AfD im Europäisch­en Parlament unterstrei­cht ihre Haltung.

Es ist zu begrüßen, dass sich die neue Regierung als proeuropäi­sch definiert, jetzt muss sie diese Ausrichtun­g durch eine entspreche­nd aktive Europapoli­tik untermauer­n. Die bevorstehe­nde EURatspräs­identschaf­t bietet hierzu ebenso Gelegenhei­t wie der Diskussion­sprozess über die Weiterentw­icklung der Union.

Problemati­sch sind das Naheverhäl­tnis der FPÖ zu Russland, das vor einem Jahr mit der Regierungs­partei des semiautori­tären Regimes von Wladimir Putin abgeschlos­sene Kooperatio­nsabkommen und die vorbehaltl­ose Übernahme russischer Positionen, etwa in der Krim oder auf dem Balkan. Hoffentlic­h wird es der kompetente­n Karin Kneissl gelingen, freiheitli­che Politiker von außenpolit­ischen Erklärunge­n abzuhalten, die im Widerspruc­h zur offizielle­n Haltung Österreich­s beziehungs­weise der EU stehen und die dem österreich­ischen Image damit schaden.

Die beabsichti­gte Rücknahme des bereits 2015 vom Nationalra­t beschlosse­nen Rauchverbo­ts, nur weil der Obmann der FPÖ ein leidenscha­ftlicher Raucher ist, stellt ein Ärgernis dar und macht Österreich zur Lachnummer Europas. Das Zukunft des Landes und der Erfolg der neuen Regierung werden aber nicht von dieser Causa, sondern von der Lösung der großen strukturel­len Probleme Österreich­s abhängen.

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