Große Erwartungen
Die neue Regierung wird danach beurteilt werden, wie rasch und konsequent sie die seit Langem nötigen Reformen durchführt.
Die professionell geführten Koalitionsverhandlungen lassen hoffen, dass der kooperative Stil der Regierungsparteien auch zu konkreten Ergebnissen führen wird und das erklärte Ziel grundsätzlicher Veränderungen in Österreich tatsächlich erreicht werden kann. Die Erwartungshaltung ist jedenfalls groß, und es liegt nunmehr an Sebastian Kurz, sein Durchsetzungsvermögen unter Beweis zu stellen. Die FPÖ wieder muss zeigen, dass sie nicht nur als kritische Opposition punkten kann, sondern auch zu einer verantwortungsvollen Regierungsarbeit imstande ist.
Die türkis-blaue Regierung wird danach beurteilt werden, wie rasch und konsequent sie die seit Langem nötigen Reformen in Österreich durchführt. Die Themen sind bekannt: Verwaltung, Föderalismus, Gesundheit, Bildung, Pensionen, Sozialversicherung, Digitalisierung und die steigende Staatsverschuldung trotz guter Wirtschaftsdaten.
Lösungsvorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch, ihre Umsetzung wurde von den bisherigen Regierungen beim geringsten Widerstand ausgesetzt oder auf ho- möopathische Dosen reduziert. Die neue Regierung muss es besser machen. Sie sollte statt einer Politik der kleinen Schritte umfassende Lösungen in Angriff nehmen. Die Wählerschaft würde es sicherlich honorieren.
Aktive Europapolitik gefordert
Außenpolitisch geht es vor allem darum, den Ruf Österreichs als liberale Demokratie und als verlässlicher Partner im Rahmen der EU zu erhalten. Die Regierungsbeteiligung der FPÖ stellt in diesem Zusammenhang eine große Belastung dar. Die Partei gilt als zutiefst EU-skeptisch und die Fraktionsgemeinschaft mit integrationsfeindlichen Populisten wie dem Front National Marine Le Pens, der Lega Nord und der AfD im Europäischen Parlament unterstreicht ihre Haltung.
Es ist zu begrüßen, dass sich die neue Regierung als proeuropäisch definiert, jetzt muss sie diese Ausrichtung durch eine entsprechend aktive Europapolitik untermauern. Die bevorstehende EURatspräsidentschaft bietet hierzu ebenso Gelegenheit wie der Diskussionsprozess über die Weiterentwicklung der Union.
Problematisch sind das Naheverhältnis der FPÖ zu Russland, das vor einem Jahr mit der Regierungspartei des semiautoritären Regimes von Wladimir Putin abgeschlossene Kooperationsabkommen und die vorbehaltlose Übernahme russischer Positionen, etwa in der Krim oder auf dem Balkan. Hoffentlich wird es der kompetenten Karin Kneissl gelingen, freiheitliche Politiker von außenpolitischen Erklärungen abzuhalten, die im Widerspruch zur offiziellen Haltung Österreichs beziehungsweise der EU stehen und die dem österreichischen Image damit schaden.
Die beabsichtigte Rücknahme des bereits 2015 vom Nationalrat beschlossenen Rauchverbots, nur weil der Obmann der FPÖ ein leidenschaftlicher Raucher ist, stellt ein Ärgernis dar und macht Österreich zur Lachnummer Europas. Das Zukunft des Landes und der Erfolg der neuen Regierung werden aber nicht von dieser Causa, sondern von der Lösung der großen strukturellen Probleme Österreichs abhängen.