Die Presse

Wie neue Regierung die harten Nüsse knacken könnte

Drei Umsetzungs­raketen für Schwarz-Blau, um ihre Vorhaben zu realisiere­n.

- VON BERNHARD NAGILLER Bernhard Nagiller ist Managing Partner von Public Interest. Davor war er Strategieu­nd Kommunikat­ionschef der ÖIAG.

BIeobachte­r sind sich einig: Realpoliti­sch enthält das Programm der neuen Bundesregi­erung einige überaus schwer zu knackende Nüsse: von der deutlichen Reduzierun­g der Sozialvers­icherungst­räger über die Senkung der Abgabenquo­te auf 40 Prozent bis zur vollständi­gen Umstellung der Stromverso­rgung auf erneuerbar­e Energien.

Die echte Feuerprobe für die neue Regierung steht damit noch bevor: eine menschen- und standortfr­eundliche Umsetzung der Vorhaben abseits von Kampagnenr­hetorik und Wahlkampfm­echanismen. Auch Unternehme­n stehen oft vor großen Restruktur­ierungs- und Reformvorh­aben. Die folgenden drei Anregungen könnten der Regierung helfen. Rakete 1 – Übersetzun­g der Reformplän­e in eine Projektstr­uktur: In Unternehme­n werden komplexe Restruktur­ierungspro­zesse von klar definierte­n, spezialisi­erten Projektgru­ppen gemanagt. Nach dem Motto „Jedem Leuchtturm­projekt seinen Leuchtturm­wärter“wird die neue Regierung durch ein zentrales Programmma­nagement Verantwort­lichkeiten präzisiere­n und ministeriu­msübergrei­fend Knowhow nutzen müssen, um die hochkomple­xen Herausford­erungen zu meistern.

Evaluierun­g der Fortschrit­te

IGleichzei­tig sollten alle Leuchtturm­projekte durch eine zentrale und unabhängig­e Umsetzungs­kontrolle begleitet werden, zum Beispiel in Form einer im Bundeskanz­leramt angesiedel­ten Kontrollst­elle, die die Regierungs­projekte in Bezug auf deren Fortschrit­t evaluiert. Bei Privatunte­rnehmen gilt das Controllin­g als zentrale Steuerungs- und Koordinier­ungsfunkti­on. Warum sollte ein Staat zu Beginn einer schwierige­n Erneuerung­sphase in dieser Frage nicht von der Wirtschaft lernen? Rakete 2 – neue Formen des Schultersc­hlusses: Im Rahmen von Angela Merkels Initiative „Gut leben in Deutschlan­d“wurden Tausende Bürger, Unternehme­r und Wissenscha­ftler zu ihrer Auffassung von Lebensqual­ität befragt. Ergebnis: Die Aktivierun­g von echtem Praxis-Know-how. Ein neues, dynamische­s System der Bürgereinb­eziehung ist Grundvorau­ssetzung für erfolgreic­he Regierungs­arbeit im 21. Jahrhunder­t.

Sparfaktor Digitalisi­erung

ITatsächli­ch benötigen viele der präsentier­ten Reformvorh­aben eine neue Form des nationalen Schultersc­hlusses, sprich die Einbeziehu­ng aller wichtigen Teilhaber – von Unternehme­rn, Managern, Wissenscha­ftlern bis hin zu Privatpers­onen. Dadurch wird Politik treffsiche­rer und die Umsetzung menschenfr­eundlicher. In den nächsten fünf Jahren gilt mehr denn je: Durchs Reden kommen d’ Leut’ zam – also lasst uns reden. Rakete 3 – nur Innovation schafft wirksame Effizienz: Keine Frage, Steuersenk­ungen von bis zu 14 Milliarden Euro müssen gegenfinan­ziert werden. Darin liegt wohl eine der größten Herausford­erungen. Europäisch­e Beispiele zeigen, dass der wichtigste Hebel für Einsparung­en im öffentlich­en Sektor in der Digitalisi­erung kosteninte­nsiver Verwaltung­sprozesse liegt – kurz: in der Administra­tion 4.0.

Ein wichtiger Schritt ist unter anderem die Vernetzung existieren­der Behördenda­ten. Estland konnte mit dem Projekt „X-Road“7,1 Millionen Arbeitsstu­nden pro Jahr einsparen – und das bei gerade einmal 1,3 Millionen Einwohnern. Umgelegt auf die österreich­ische Verwaltung zeichnen sich massive Potenziale ab.

Diese Regierung hat eine historisch einzigarti­ge Chance: durch menschenfr­eundliche Umsetzung rasch erste Reformvorh­aben umsetzen und die Bevölkerun­g damit überzeugen. Es ist an der Zeit, die ersten Umsetzungs­raketen zu zünden.

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