Gehaltscheck im Gemeindebau
Miete. ÖVP und FPÖ haben sich geeinigt, dass Besserverdiener im kommunalen Wohnbau höhere Mieten zahlen sollen. Damit wäre ein regelmäßiger Gehaltscheck für die Bewohner im Gemeindebau verbunden.
Wien. „Mehr Gerechtigkeit im sozialen Wohnbau.“Unter diesem Motto stehen einige brisante Vorhaben der neuen Regierung, die vor allem in Wien für Aufregung sorgen. Geht es nach ÖVP und FPÖ, soll es künftig zu „regelmäßigen Mietzinsanpassungen für Besserverdiener im kommunalen und sozialen Wohnbau“kommen. Mit anderen Worten: Besserverdiener im Gemeindebau und in Genossenschaftswohnungen sollen höhere Mieten zahlen.
Die Details müssen allerdings noch ausverhandelt werden. Das Vorhaben funktioniere wohl nur, wenn regelmäßig die Einkommen aller Bewohner von Gemeindebau- und Genossenschaftswohnungen überprüft werden, sagen Experten. Und sofort formiert sich Widerstand im rot-grünen Wien. Der Plan sei ein „Wahnsinn“, sagt SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, der Wiener Bürgermeister werden will. Ihm sei die soziale Durchmischung im Gemeindebau wichtig. Es gehe darum, die Bildung von Ghettos zu vermeiden. Schieder will auch verhindern, dass es zu einem regelmäßigen „Gehaltsstriptease“kommt.
In Wien leben 500.000 Menschen in 2000 Gemeindebauten. „Auf den Gemeindebau hat der Bund rechtlich keinen Zugriff“, sagte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). Sollte der Bund es versuchen, „klagen wir“. Auch sonst werde man alle Möglichkeiten ausschöpfen. Stichwort: direkte Demokratie.
Kampf um leistbares Wohnen
Begrüßt wird der Plan der neuen Regierung vom Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Das Ziel des geförderten Wohnbaus bestehe darin, dass sich Menschen mit geringem Einkommen eine Wohnung leisten können. Dieses Ziel werde zu selten erreicht, heißt es. Der soziale Wohnbau, auf den 60 Prozent aller Mietwohnungen entfallen, sei zu wenig treffsicher. ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel fordert, dass marktkonforme Mieten verlangt werden können, wenn bestimmte Einkommensgrenzen überschritten werden. Mehr Fairness im Gemeindebau bringe nämlich zusätzliche Mittel, mit denen neue Sozialwohnungen finanziert werden könnten.
Die soziale Treffsicherheit bei geförderten Wohnungen sorgt nicht nur bei uns für Diskussionen. Im Vorjahr veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln eine Studie. Demnach sind in Deutschland nur 46 Prozent der Haushalte in Sozialwohnungen als arm einzustufen. In Österreich hat der Thinktank Agenda Austria in der Studie „Teurer Wohnen“die Gemeindebauten kritisiert. Im Vergleich zum EUSchnitt lebe in Österreich ein wesentlich geringerer Anteil der sozial schwächsten Gruppen in Sozialwohnungen.
Derzeit müssen bei Wiener Wohnen die Mieter nur einmal ihre Bedürftigkeit nachweisen, nämlich wenn sie die Wohnung bekommen. Für eine Person gilt eine Obergrenze von 3192,85 Euro beim Netto-Monatseinkommen (14-mal). Bei zwei Personen sind es 4757,85 Euro. Ändert sich für die Mieter später der Status, weil sie einen besser bezahlten Job haben oder in eine höhere Einkommensklasse fallen, müssen sie weder ausziehen noch höhere Miete bezahlen.
Uneinig sind sich Experten bei der Frage, ob der Bund der Stadt Wien neue Regeln für die Gemeindebauten vorschreiben kann. Allerdings könne der Bund über den Finanzausgleich Druck ausüben, heißt es.
Völlig anders ist die Situation in Salzburg, wo 2006 das Modell der „Wohnwertmiete“eingeführt wurde. Demnach wird alle zehn Jahre das Einkommen der Mieter überprüft. Beim Überschreiten einer bestimmten Grenze wird die Miete angepasst.
Auf den Gemeindebau hat der Bund rechtlich keinen Zugriff. Michael Häupl, Wiener Bürgermeister
Zuerst die Demonstranten, nun also die Stadtregierung. Am Tag zwei der neuen Bundesregierung nutzt auch die Stadtpolitik die Gelegenheit, politisch Stellung zu nehmen. Bürgermeister Michael Häupl reagiert trotzig auf den FPÖ-Vorschlag, Asylquartiere am Stadtrand einzurichten, und fragt sich, wo die hinkommen sollen. „Vielleicht in die Sisi-Villa im Lainzer Tiergarten.“Maria Vassilakou beschwört Wien als Gegenmodell zur Retro-Politik. Gernot Blümel wiederum sieht endlich die Zeit der ÖVP Wien gekommen.