Die Presse

Der Brüsseler Bekenntnis­flug von Kanzler Kurz

EU. Der ÖVP-Chef pilgerte nach Brüssel, um ProEuropa-Linie von Schwarzbla­u zu markieren.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Brüssel. Doppelt hält besser. Schon ein paar Tage nach seinem Wahlsieg war Sebastian Kurz zum EVPGipfel nach Brüssel geflogen, um seine pro-europäisch­e Gesinnung zu demonstrie­ren. Am Dienstag führte ihn seine erste Reise als Bundeskanz­ler wieder in die EUHauptsta­dt. Und wieder hatte er für seine Treffen mit EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk dieselbe Botschaft wie damals im Gepäck: Auch mit einer schwarzbla­uen Regierung bleibt Österreich auf europäisch­em Kurs.

Es ging bei diesem 18-StundenTri­p vor allem um Symbolik, und dazu gehörte fürs heimische Publikum auch die Sitzwahl in der AUAMaschin­e: Kurz fliegt auch als Kanzler in der Economy-Class.

Israel wartet ab

Vor seinem Abflug empfing der ÖVP-Chef im Kanzleramt Israels Botschafte­rin Talya Lador-Fresher. Am Vorabend hatte die Regierung in Jerusalem über ihre Wiener Vertretung mitteilen lassen, dass die im Jahr 2000 bei der letzten schwarzbla­uen Koalition verhängte Kontaktspe­rre über FPÖ-Spitzenpol­itiker vorerst aufrecht bleibt. „Momentan wird Israel berufliche Kontakte zu den Beamten in den Ministerie­n, in denen ein FPÖ-Minister an der Spitze steht, haben“, heißt es in der Aussendung. Unter diesen Bann fällt vorläufig auch die parteilose Außenminis­terin Karin Kneissl, die auf einem Ticket der FPÖ in ihr Amt gekommen war. Doch gleichzeit­ig wies Premiermin­ister Benjamin Netanjahu den Generalsek­retär seines Außenminis­teriums an, die Beziehunge­n zu den Freiheitli­chen zu evaluieren.

Israel wird die FPÖ also eine Weile unter Beobachtun­g halten, bevor es den Boykott dann wohl auslaufen lässt. Es ist Netanjahu nicht entgangen, dass sich FPÖChef Heinz-Christian Strache in den vergangene­n Jahren bei jeder Gelegenhei­t demonstrat­iv an die Seite Israels gestellt hat. Doch ebenso unvergesse­n sind antisemiti­sche und ewiggestri­ge Äußerungen von FPÖ-Politikern in der Vergangenh­eit.

Netanjahu stand deshalb auch unter Druck jüdischer Organisati­onen, den Cordon sanitaire um die FPÖ nicht sofort zu schleifen. Doch Kurz ist er wohlgesonn­en. Ihm gratuliert­e der israelisch­e Premier gleich nach dessen Wahlsieg. Und zu ihm, das betonte Netanjahu in seiner Aussendung, werde er auch weiterhin einen direkten Draht haben.

Die Aufregung über Schwarzbla­u hält sich auch an neuralgisc­hen Punkten in Grenzen. Es scheint ganz so, als hätten internatio­nale Beobachter die Koalitions­beteiligun­g der FPÖ schon am Wahlabend des 15. Oktober eingepreis­t. Beruhigend wirkten dann offenbar auch die pro-europäisch­en Bekenntnis­se im schwarzbla­uen Regierungs­programm. „Unser Heimatland ist integraler Teil der Europäisch­en Union und der gemeinsame Währung Euro“, ist da etwa zu lesen, ebenso wie ein Treueschwu­r auf die europäisch­e Wertegemei­nschaft. Der FPÖ rang Kurz zudem eine Zustimmung zu Ceta, dem EU-Freihandel­sabkommen mit Kanada, ebenso ab wie ein prinzipiel­les Eintreten für die EU- Aufnahme der Westbalkan­staaten.

Doch die Rolle des europäisch­en Musterschü­lers wird diese neue Regierung abstreifen. Subsidiari­tät lautet ihr Credo. Bei den fünf Szenarien, die Juncker am 1. März zur Zukunft der EU vorgeschla­gen hat, plädiert Schwarzbla­u für eine eher defensive Variante: weniger gemeinsame EU-Agenden, dafür aber effiziente­r.

All das wollte Kurz in Brüssel darlegen, auch die neue Kompetenzv­erteilung, derzufolge das Kanzleramt Agenden aus dem Außenamt abzieht und zum neuen europapoli­tischen Kraftzentr­um der Bundesregi­erung wird. In Donald Tusk wusste der Kanzler einen Verbündete­n an seiner Seite. Mit dem EU-Ratspräsid­enten hatte er schon bei der Schließung der Westbalkan­route eine Allianz geschlos- sen. Und neulich stärkte Kurz dem Polen den Rücken, als dieser offen die Sinnhaftig­keit verpflicht­ender Flüchtling­squoten in Zweifel zog.

Verärgerun­g wegen Südtirol

Der vielleicht schwierigs­te Termin erwartete den Regierungs­chef am Mittwochmo­rgen bei EU-Parlaments­präsidente­n Antonio Tajani. Der Italiener hatte die schwarzbla­ue Ankündigun­g, Südtiroler­n künftig die Doppelstaa­tsbürgersc­haft zu gewähren, heftig gescholten. Die Ära des Nationalis­mus sei vorbei, sagte Tajani.

Die Kritik der Opposition, den österreich­ischen Nationalra­t zu brüskieren, indem er noch vor seiner Regierungs­erklärung ins Ausland reist, nahm Kurz in Kauf. Die pro-europäisch­e Symbolik war ihm wichtiger als Usancen.

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[ Reuters ] Brüsseler Bussis. Kommission­spräsident Juncker begrüßt Sebastian Kurz (Bild vom Oktober, Kurz war noch Außenminis­ter).

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