Aufbruchstimmung beim ANC
Südafrika. Die Wahl Cyril Ramaphosas zum Chef des Afrikanischen Nationalkongresses und damit wohl zum nächsten Präsidenten entschied Machtkampf. Er muss jetzt Allianz schmieden.
Kapstadt. Eine Kamera hat die Sekunden festgehalten, in denen Südafrikas Präsident Jacob Zuma realisiert hat, dass er nun als „lahme Ente“gilt. Als beim Parteitag des regierenden African National Congress (ANC) seine Kandidatin, seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma, sich gegen ihren Widersacher Cyril Ramaphosa geschlagen geben musste, stieg Zumas Atemfrequenz sichtbar an. Der Versuch eines Lächelns scheiterte. Es war das Bild eines Präsidenten ohne Macht.
Ramaphosa gilt als neuer Hoffnungsträger. Vielleicht als der ein- zige, der die Partei aus den Korruptionsfängen Zumas retten kann. Am Montag stieg der Rand um vier Prozent an. Weite Teile des Volks fordern die vorzeitige Absetzung Zumas als Staatsoberhaupt.
Ramaphosa, ein 65-jähriger Unternehmer, blickt auf eine weitgehend skandalfreie Vergangenheit in Politik und Wirtschaft zurück. Doch seine Glaubwürdigkeit wäre stark beschädigt, würde er Zuma erlauben, bis zum Ende seiner Amtszeit 2019 im Amt zu bleiben. Zuletzt hatte er ihn für die Unterwanderung der staatlichen Strukturen durch ein kriminelles Netzwerk verantwortlich gemacht.
Die Gupta-Affäre
Dem Noch-Präsidenten Zuma ist diese Konstellation bewusst, zumal im kommenden Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, der sich mit der Beteiligung der indischstämmigen Gupta-Familie an der Besetzung von Ministerposten beschäftigen soll. Das kann durchaus Atemnot verursachen.
Doch Ramaphosa verzichtete auf allzu überschwänglichen Jubel. Der Multimillionär mag anders als Dlamini-Zuma den politischen Willen mitbringen, den ANC von mafiösen Strukturen zu befreien. Ein Blick auf die neue Führungsstruktur offenbart die kolossale Aufgabe. Denn neben dem Präsidenten wurde auch das sechsköpfige ANC-Führungsgremium, die „Top6“, gewählt.
Dort sitzt künftig David Mabuza als Vize-Präsident, der seit neun Jahren die von politischen Morden und Korruption erschütterte Provinz Mpumalanga lenkt. Auf seinem Weg in die Schaltzentrale der Partei unterstützte er zunächst Zuma, dann Dlamini-Zuma, ganz zuletzt angeblich Ramaphosa – je nach Windrichtung. Eigene Ambitionen auf die Präsidentschaft im Jahr 2024 sind ein offenes Geheimnis. Mabuza fehlt jegliche Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Guptas. Als er 2015 Vergiftungssymptome aufwies, flog er mit einem Privatjet der Familie zur Behandlung nach Russland.
Noch schlechter ist der Leumund von Ace Magashule, dem künftigen Generalsekretär. Er wird nach Zuma wohl am häufigsten im Zusammenhang mit den Machenschaften der Guptas erwähnt, sie sind Geschäftspartner seiner Familie. Von Magashule kann kaum erwartet werden, dass er die Aufräumarbeiten in der korrumpierten Partei vorantreiben wird, dabei gehört die Sortierung der Parteistrukturen zu den Kernaufgaben des Generalsekretärs.
Ähnliches gilt für seine Stellvertreterin. Dort bleibt Jessie Duarte im Amt, eine Zuma-Loyalistin, die sich für eine Präsidentschaft von Dlamini-Zuma eingesetzt hatte. Auch viele Mitglieder des aus 80 Parteimitgliedern bestehenden Nationalen Exekutivkomitees (NEC) haben Verbindungen zu Zuma. Sie müssten mehrheitlich für seine Abberufung stimmen.
Breites Zweckbündnis
Ex-Gewerkschaftsführer Ramaphosa steht inzwischen eher für eine investorenfreundliche Politik. Das könnte die traditionellen ANCPartner, der Gewerkschaftsbund Cosatu und die Kommunistische Partei, leicht gegen ihn aufbringen. Beide haben sich in erster Linie wegen der dreisten Korruptionsskandale von Zuma abgewendet. Zementiert ist ihre Unterstützung für Ramaphosa keineswegs. Doch wenn jemandem das Aufbrechen dieser Strukturen zuzutrauen ist, dann dem glänzenden Strategen Ramaphosa. Als Architekt des demokratischen Südafrikas bewies er, dass er Allianzen schmieden kann.