Studentenpolitik „an der Kandare“
Uni. Die neue Regierung will die Rechte der Hochschülerschaft einschränken. Die ÖH-Spitze will sich den Mund nicht verbieten lassen. Die Studentenopposition ist über die Pläne erfreut.
Wien. Alle zwei Jahre, immer dann, wenn im Wahlkampf an den Universitäten um die Stimmen der Studierenden geworben wird, taucht ein und die selbe Frage auf: Was ist eigentlich die Aufgabe der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH)? Soll sie eine reine Serviceeinrichtung für Studierende sein, die billige Skripten verteilt und Studienanfänger berät? Oder braucht es eine allgemeinpolitische Interessensvertretung, die sich auch zu Themen wie der Homoehe äußert und die am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen der Ermordung dominikanischer Bürgerrechtskämpferinnen gedenkt?
Die derzeit an der Spitze stehende linke Exekutive (aus Fachschaftsliste, Gras, VSStÖ) hat darauf eine klare Antwort gegeben. Sie wollte viel mehr als eine reine Serviceeinrichtung sein. Gesetzlich wird der Hochschülerschaft das durch das sogenannte allgemeinpolitische Mandat ermöglicht. Genau an diesem rüttelt nun die neue Regierung. Die Hochschülerschaft darf künftig die ihr zur Verfügung gestellten Mittel „ausschließlich für Aufgaben der Beratung und Interessenvertretung von Studierenden“verwenden. So steht es im schwarz-blauen Koalitionspakt. Um eine Missachtung dieser Vorgaben zu verhindern, sollen außerdem die „Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der ÖH“ausgebaut werden.
Dadurch solle die Hochschülerschaft offenbar „an die Kandare genommen werden“, sagt Rektorenchef Oliver Vitouch. Hier sehe er „leider die Ideologie durchblitzen“. Die linke Dreierkoalition zeigte sich „schockiert“. Die Ankündigungen hätten ihre „schlimmsten Befürchtungen übertroffen“. Man wolle sich nicht „per Gesetz den Mund verbieten lassen“. Bildungspolitik lasse sich nicht einfach von allgemeinpolitischen Themen trennen. Deshalb gingen die Studentenvertreter am Montag, dem Tag der Angelobung, auf die Straße und werden das wohl auch nach Weihnachten wieder machen.
Studenten haben Vorrang
Die einen demonstrieren. Die anderen klatschen. Darunter die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft. Die AG, die als stärkste Fraktion im Studierendenparlament in der Opposition sitzt, unterstützt die türkis-blauen Pläne. Eine gewählte Studierendenvertretung habe sich, wie AG-Obmann Dominik Ramusch sagt, „vorrangig für die Studierenden und die Hochschulen zu interessieren“. Die freiheitlichen Studenten des RFS sehen in einer geplanten Abschaffung des allgemeinpolitischen Mandats wiederum eine „klassische Forderung des Rings freiheitlicher Studenten“umgesetzt.
Dürfen Demobusse finanziert werden?
Es waren auch die beiden Fraktionen, die in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik an dem weit gehenden allgemeinpolitischen Engagement der Hochschülerschaft übten. Erst Anfang dieses Jahres sorgt die linke ÖH-Spitze der Uni Wien für Schlagzeilen. Sie verschickte in den vergangenen Jahren überwiegend Presseaussendungen für fremde Organisationen. Mit den Studierendenbeiträgen wurden so Aussendungen des NoWKR-Bündnisses, diverser ,Autonomer Antifas’ und der ,Plattform Radikale Linke’ finanziert. Das sei, hieß es damals, durch das allgemeinpolitische Mandat der Hochschülerschaft gedeckt. Die AG sah darin allerdings ein „Verschleudern von ÖH-Beiträgen“.
Entlang der selben Argumentationslinien verliefen auch andere Diskussionen über das allgemeinpolitische Mandat. Die einen fanden es legitim, dass einzelne Hochschülerschaften Busfahrten zu Demonstrationen (etwa gegen den Akademikerball) organisierten und finanzierten, die anderen fanden es skandalös. So war es auch beim Cafe´ Rosa. Dass 2011 von der linken ÖH-Spitze der Uni Wien eröffnete basisdemokratische, ökologisch-nachhaltige, antiklerikale, antipatriarchale, antiheteronormative und antikapitalistische Studibeisl war für viele der Inbegriff verfehlter Studentenvertretung. Dazu musste das Beisl nicht einmal pleite gehen.
Unter „Beratung und Interessenvertretung von Studierenden“, wie sie von der neuen schwarz-blauen Regierung gewünscht wird, wären all diese Projekte nicht gefallen. Da bleibt kaum Interpretationsspielraum.