Europa will nicht mehr der große Öko-Vorreiter sein
Analyse. Der EU-Rat einigt sich auf schwache Klimaschutzziele. So bremst sich der Kontinent auf dem Weg zum sauberen Energiesystem selbst aus.
Wien. Die Zeiten, in denen Europa das Weltklima quasi im Alleingang retten wollte, sind offenbar vorbei. 15 Stunden lang verhandelten die EU-Energieminister, bevor sie sich in der Nacht auf Dienstag darauf einigen konnten, wie weit die EU bis 2030 in ihrer Energiewende kommen will. Das Resultat liegt weit hinter dem zurück, was die Ökostromlobbys, aber auch viele Großunternehmen, zuletzt gefordert hatten.
Die EU-Minister begnügten sich damit, die Minimalziele aus dem Kommissionsvorschlag zu übernehmen. Diese sehen eine Reduktion der Treibhausgase bis 2030 um 27 Prozent auf Basis 2005 vor. Im Oktober hatten das EUParlament, so ziemlich alle Umweltorganisationen und auch etliche Technologie- und Energiekonzerne eine Anhebung des Reduktionsziels auf 35 Prozent gefordert. Auch der spanische EU-Energiekommissar, Miguel Arias Can˜ete, räumte nach Bekanntwerden des Beschlusses ein, dass der Vorschlag seiner Kommission aufgrund des „spektakulären“Preisverfalls bei erneuerbaren Energie- trägern mittlerweile überholt sei. Mit anderen Worten: Ein schnellerer Umstieg auf ein grünes Energiesystem wäre in Europa möglich und vor allem aber auch leistbar gewesen. Es bleibt abzuwarten, ob das EU-Parlament noch nachschärfen wird.
Für Österreich kommen die lascheren Ziele freilich zur rechten Zeit. Das Land hat sich verpflichtet, die Emissionen bis 2020 um 16 Prozent und bis 2030 um 36 Prozent zu reduzieren. Schon den ersten Wert wird Österreich nach einem aktuellen Bericht des Umweltbundesamts klar verfehlen.
Mehr vom „bösen“Agrosprit
Aber nicht nur das 27-Prozent-Ziel enttäuscht viele. Auch im Transportsektor, ein bedeutender Treibhausgasemittent der EU, einigten sich die Minister auf höchst umstrittene Vorgaben. So sollen 2030 rund 14 Prozent des gesamten Verkehrs mit Sprit aus erneuerbaren Quellen gespeist werden. Eine bedeutend größere Rolle als zuletzt erwartet werden da die sogenannten Agrotreibstoffe spielen. Vor allem der Biosprit der ersten Generation (aus Mais oder Getreide) wird jedoch inzwischen von vielen Umweltexperten kritisch bewertet. Stichwort: Teller vs. Tank. Die EUKommission hatte daher vorgeschlagen, dass 2030 maximal noch 3,8 Prozent des gesamten Sprits aus essbaren Feldfrüchten hergestellt werden sollen. Diese Entscheidung machen die Energieminister nun rückgängig. Sie lassen den bisher gültigen Deckel von sieben Prozent bestehen.
Und auch dort, wo die Energieminister Pluspunkte sammeln wollten, ist das mitunter eher schiefgegangen. So soll etwa die Flexibilisierung des Strommarkts vorangetrieben werden. In allen EU-Ländern wäre der Weg frei für flexible Stromtarife, die sich an Angebot und Nachfrage orientieren. Der Stromkunde hätte damit die Chance, seinen Verbrauch entsprechend anzupassen und so Energie und Geld zu sparen. Kleiner Haken: In Ländern wie Österreich ist das längst möglich. Der Vorstoß zielte vielmehr auf viele osteuropäische Länder, wo der Staat heute oft noch die Energiepreise festsetzt. Diese Praxis sollte zurückgedrängt werden. Doch auch daraus wird wohl nichts: In Ausnahmefällen sollen die Länder die Strompreise weiter verordnen dürfen.