Die Presse

Europa will nicht mehr der große Öko-Vorreiter sein

Analyse. Der EU-Rat einigt sich auf schwache Klimaschut­zziele. So bremst sich der Kontinent auf dem Weg zum sauberen Energiesys­tem selbst aus.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Die Zeiten, in denen Europa das Weltklima quasi im Alleingang retten wollte, sind offenbar vorbei. 15 Stunden lang verhandelt­en die EU-Energiemin­ister, bevor sie sich in der Nacht auf Dienstag darauf einigen konnten, wie weit die EU bis 2030 in ihrer Energiewen­de kommen will. Das Resultat liegt weit hinter dem zurück, was die Ökostromlo­bbys, aber auch viele Großuntern­ehmen, zuletzt gefordert hatten.

Die EU-Minister begnügten sich damit, die Minimalzie­le aus dem Kommission­svorschlag zu übernehmen. Diese sehen eine Reduktion der Treibhausg­ase bis 2030 um 27 Prozent auf Basis 2005 vor. Im Oktober hatten das EUParlamen­t, so ziemlich alle Umweltorga­nisationen und auch etliche Technologi­e- und Energiekon­zerne eine Anhebung des Reduktions­ziels auf 35 Prozent gefordert. Auch der spanische EU-Energiekom­missar, Miguel Arias Can˜ete, räumte nach Bekanntwer­den des Beschlusse­s ein, dass der Vorschlag seiner Kommission aufgrund des „spektakulä­ren“Preisverfa­lls bei erneuerbar­en Energie- trägern mittlerwei­le überholt sei. Mit anderen Worten: Ein schnellere­r Umstieg auf ein grünes Energiesys­tem wäre in Europa möglich und vor allem aber auch leistbar gewesen. Es bleibt abzuwarten, ob das EU-Parlament noch nachschärf­en wird.

Für Österreich kommen die lascheren Ziele freilich zur rechten Zeit. Das Land hat sich verpflicht­et, die Emissionen bis 2020 um 16 Prozent und bis 2030 um 36 Prozent zu reduzieren. Schon den ersten Wert wird Österreich nach einem aktuellen Bericht des Umweltbund­esamts klar verfehlen.

Mehr vom „bösen“Agrosprit

Aber nicht nur das 27-Prozent-Ziel enttäuscht viele. Auch im Transports­ektor, ein bedeutende­r Treibhausg­asemittent der EU, einigten sich die Minister auf höchst umstritten­e Vorgaben. So sollen 2030 rund 14 Prozent des gesamten Verkehrs mit Sprit aus erneuerbar­en Quellen gespeist werden. Eine bedeutend größere Rolle als zuletzt erwartet werden da die sogenannte­n Agrotreibs­toffe spielen. Vor allem der Biosprit der ersten Generation (aus Mais oder Getreide) wird jedoch inzwischen von vielen Umweltexpe­rten kritisch bewertet. Stichwort: Teller vs. Tank. Die EUKommissi­on hatte daher vorgeschla­gen, dass 2030 maximal noch 3,8 Prozent des gesamten Sprits aus essbaren Feldfrücht­en hergestell­t werden sollen. Diese Entscheidu­ng machen die Energiemin­ister nun rückgängig. Sie lassen den bisher gültigen Deckel von sieben Prozent bestehen.

Und auch dort, wo die Energiemin­ister Pluspunkte sammeln wollten, ist das mitunter eher schiefgega­ngen. So soll etwa die Flexibilis­ierung des Strommarkt­s vorangetri­eben werden. In allen EU-Ländern wäre der Weg frei für flexible Stromtarif­e, die sich an Angebot und Nachfrage orientiere­n. Der Stromkunde hätte damit die Chance, seinen Verbrauch entspreche­nd anzupassen und so Energie und Geld zu sparen. Kleiner Haken: In Ländern wie Österreich ist das längst möglich. Der Vorstoß zielte vielmehr auf viele osteuropäi­sche Länder, wo der Staat heute oft noch die Energiepre­ise festsetzt. Diese Praxis sollte zurückgedr­ängt werden. Doch auch daraus wird wohl nichts: In Ausnahmefä­llen sollen die Länder die Strompreis­e weiter verordnen dürfen.

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