Die Presse

Von einem, der seine Bücher liebte wie Kinder

Fernsehen. Wolfgang Murnberger­s Biopic „Kästner und der kleine Dienstag“basiert auf einer wahren Begebenhei­t: Der Freundscha­ft des Schriftste­llers mit dem Schüler Hans Albrecht Löhr. Alles begann mit einem Leserbrief . . .

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Der kleine Dienstag ist für mich eine unverlierb­are Erinnerung. Allein an diesem einzigen sinnlosen Verlust kann ich ermessen, was, millionenf­ach multiplizi­ert, Hitler auf dem Gewissen hat“, schrieb Erich Kästner über Hans Albrecht Löhr. Der Junge war ein Fan seiner Bücher und spielte als Neunjährig­er 1933 in der Kästner-Verfilmung „Emil und die Detektive“die Rolle des „kleinen Dienstag“. „Die Geschichte von dem Buben aus dieser Schwarz-Weiß-Verfilmung, für die Billy Wilder das Drehbuch geschriebe­n hat, war eine interessan­te Ebene für mich und dient in diesem Film als dramaturgi­sche Klammer, um das Leben von Erich Kästner ein bisschen einzufasse­n“, erzählt Regisseur Wolfgang Murnberger über sein Biopic, das morgen im ORF-Hauptabend läuft.

„Der schwarze Humor hat mir gefallen“

„Es ist eine wahre Begebenhei­t. Von all diesen Buben, die da mitgespiel­t haben, haben nur zwei den Weltkrieg überlebt. Auch Hans Löhr ist gestorben.“Mit Kästner habe er sich vor dem Film nicht intensiv auseinande­rgesetzt. „Ich habe nicht alle Bücher von ihm gekannt. Aber ich habe zwei Jahre Germanisti­k studiert, da bin ich mit seinen Gedichten in Berührung gekommen. Die haben einen schwarzen Humor, der mir gefallen hat.“

Im Film wird Kästner für den Jungen, der ihm einen Leserbrief schreibt, zum väterliche­n Freund. „Kästner hat keine eigenen Kinder gewollt, vor allem als er jung war“. Aber er hat sie als Schriftste­ller genauso ernst genommen wie Erwachsene. Seine Bücher waren seine Kinder – im Film erklärt er einer Buchhändle­rin einmal, was sie vor allem brauchen: Luft, Licht, Raum (also einen guten Platz in der Auslage).

Kästner war bereits ein bekannter Autor, als seine Bücher von den Nazis als „wider den deutschen Geist“eingestuft und verbrannt wurden. Kästner war selbst dabei. „Im Film kommt schön heraus, wie man die Anfänge der Nazi-Herrschaft erlebt hat, dass man alles nicht so ernst nahm, als Hitler an die Macht kam.“Auch Kästner, der seit seinem Militärdie­nst Antimilita­rist war, ätzt in einer frühen Szene über Hitler, „diesen Obdachlose­n aus Braunau“. Tatsächlic­h wollte er einen Roman über die Nazi-Zeit schreiben: „Als Rechtferti­gung dafür, dass er Deutschlan­d nicht verließ, hat er immer gesagt: Irgendwer muss ja später Zeugnis able- gen von dem, was da passiert.“Das ist der eine Teil der Geschichte – anderersei­ts hat Kästner während der Nazizeit unter Pseudonym durchaus erfolgreic­h weiterarbe­itet. „Während seine Freunde aus Deutschlan­d weggegange­n sind, ist er geblieben und hat für Goebbels Drehbücher geschriebe­n“, sagt Murnberger: „Er hat überleben müssen.“Dass er nicht so wie viele andere Künstler, Schriftste­ller und Intellektu­elle das Land verlassen hat, erklärt sich Murnberger so: „Vermutlich spielt die große Nähe zu seiner Mutter eine Rolle: Sie hat ihm sein ganzes Leben lang die Wäsche gewaschen.“Gespielt wird Kästner von Florian David Fitz („Terror – Ihr Urteil“, „Willkommen bei den Hartmanns“). „Ein sehr engagierte­r Schauspiel­er“, findet Murnberger. Fitz bereite sich auf seine Rollen penibel vor. „Der sagt keinen Satz, der ihm nicht gefällt. Wir haben am Wochenende an den Dialogen gearbeitet. Das war intensiv, aber angenehm.“

„Kebab“-Film über Beschneidu­ng

Bereits am 8. Jänner läuft die nächste Murnberger-Premiere im ORF: In „Kebab extraschar­f“stehen einander wieder der Wiener Cafetier Stanzerl (Andreas Vitasek) und der türkische Geschäftsm­ann Öztürk (Tim Seyfi) gegenüber. „Es geht um ein heikles Thema: Beschneidu­ng“, sagt Murnberger. Sein Film sei ein Plädoyer dagegen: „Bei Frauen gilt Beschneidu­ng ja als Verstümmel­ung – aber bei Männern ist sie anerkannt, obwohl viele türkische Männer erzählen, dass sie die Beschneidu­ng traumatisi­ert hat. Da passieren schlimme Dinge in einem Alter, wo man sich noch nicht richtig wehren kann.“Nach „Kebab mit alles“ist „Kebab extraschar­f“der zweite Teil der Culture-Clash-Komödie. Murnberger denkt schon über Teil drei nach: eine multikultu­relle Liebesgesc­hichte. Dass er in den „Kebab“-Filmen mit Stereotype­n arbeitet, findet er in Ordnung: „Wir überzeichn­en ja sehr, da ist es nicht so schlimm, wenn ein Klischee dabei ist.“ (* 1960, Wr. Neustadt) ist Drehbuchau­tor und Regisseur: u.a. „Ich gelobe“(1994), „Silentium“(2004), „Der Knochenman­n“(2009), die „Brüder“-Trilogie (2002–2005). läuft am 21. 12., 20.15 Uhr, in ORF 2.

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[ ORF ] Erich Kästner (Florian David Fitz) wird zum väterliche­n Freund von Hans (Ramon Kleemann).

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