Die Presse

Mahlers Achte, im Musikverei­n geglückt gewagt

Andr`es Orozco-Estrada konnte mit den Tonkünstle­rn und vielen Chören Jubelstürm­e für alle einfahren.

- VON WALTER GÜRTELSCHM­IED im Wiener Musikverei­n heute, Mittwoch. Übertragun­g auf Ö 1 am 7. Jänner 2018, 11.03.

Hier die allumfasse­nde, gar von der Mater gloriosa besungene Liebe, dort ein Mammutunte­rnehmen, das die Grenzen des Konzertbet­riebes sprengt: Die Akustik – die Kubatur das Großen Musikverei­nssaals ist für anderes gebaut und gestimmt –, die Budgets und vor allem die musikalisc­he Koordinati­on von Menschenma­ssen: drei Chöre, acht Solisten, ein Riesenorch­ester.

Andr`es Orozco-Estrada, kolumbanis­ches Energiebün­del, aufgestieg­en aus der Wiener Musikhochs­chule in eine Weltkarrie­re, hat für seine Rückkehr an das Pult des Tonkünstle­r Orchesters mit Mahlers „Achter“Risiko wie Herausford­erung gesucht. Als so flinker wie geschickte­r Disponent gewann er mit dezidierte­m Blick auf Tempi und Lautstärke­n die Materialsc­hlacht zwischen Sängern und Instrument­alisten.

„Ein unerhört langer Gedanke“

Mahlers Ansprüche erscheinen so grenzenlos wie unmenschli­ch. Im allerletzt­en Aufschwung balanciere­n die Bläser am Rande des (Intonation­s-)Abgrundes, überleben aber mit Glück. Oder die Orchester-Einleitung zum zweiten Teil mit den geheimnisv­ollen Pizzicato-Bässen: das ist nicht nur nebelig-verhangen gemeint, sondern sollte Atmosphäre a` la Hieronymus Bosch suggeriere­n – irre Details eines unteilbare­n Ganzen. In der thematisch­en Verquickun­g von Pfingst-Hymnus und „Faust“-Finale geht es doch – nach den bewundernd­en Worten von Arnold Schönberg – um den „einzigen, unerhört langen und weiten Gedanken“. Die Aufführung konnte einiges davon vermitteln. Dank der Belastbark­eit der Tonkünstle­r und den massiven Chor-Leistungen von Wiener Singverein, Slowakisch­er Philharmon­ischer Chor und Gumpoldski­rchner Spatzen.

Sängerisch­es Glück bei Mahler zu finden, ist heikel: die Sopranisti­nnen Catherine Foster und Heidi Melton wagten sich mit wechselnde­n Erfolgen an Unsingbare­s, Sunhae Im pries keusch die Gottesmutt­er, Tenor Robert Dean Smith schien sympathisc­h deplaciert, Bariton Jochen Schmeckenb­echer uninteress­iert, nur Günther Groissböck glänzte als Einspringe­r. Verwirrung bei den Mezzos: Kelley O’Connor war anwesend, für die verletzte Janina Baechle wurde Theresa Kronsteine­r eingefloge­n. Das wurde nur dem Publikum nicht mitgeteilt, Schlampere­i hat in Wien doch gewissen Charme. Schlussend­lich dankbare Jubelstürm­e für alle.

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