Mit den Händen singen
Wie jedes Jahr herrscht reges Treiben am Weihnachtsmarkt Schloss Schönbrunn. Am 3. Dezember war ein besonderer Zauber in der Luft, als über 50 Kinder kurz vor ihrem Auftritt mit ihren roten Zipfelmützen und weißen Handschuhen noch einmal ihre Lieder übten. Da formten sich nicht nur die Stimmbänder, sondern auch die Hände und Finger. Das Besondere an diesem Chor: Er ist zweisprachig, die Lieder werden auf Deutsch und in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) gesungen.
Musikalische Inklusion
Den ganzen Herbst haben sich gehörlose, hörende und schwerhörige Kinder zwischen vier und zehn Jahren auf diesen Auftritt vorbereitet und den deutschen Text, die Melodie und auch den Text in ÖGS geprobt. Der Weihnachtsklassiker „We wish you a Merry Christmas“wurde auf Englisch gesungen und mit Gebärden aus der Amerikanischen Gebärdensprache (ASL) vorgetragen. Dazu legten zwei gehörlose Volksschüler auch ein beeindruckendes Tanzsolo auf die Bühne hin.
Organisiert wird der Weihnachtschor jährlich vom Verein kinderhände, dessen Zentrum in Wien ist und Spielgruppen und Sprachkurse für Kinder und ihre Eltern, ÖGS-Lernmaterialien, Beratung und Information anbietet. Der Chor fand heuer schon zum neunten Mal statt – eine Tradition, wo musikalische Inklu- sion gelebt und gemeinsam in zwei Sprachen aufgetreten wird. Von „In der Weihnachtsbäckerei“bis hin zu „Oh Tannenbaum“wurde laut gebärdet und gesungen, begleitet von fünf professionellen Musikern an den Gitarren, der Flöte, der Geige und dem Kontrabass. Dem Publikum gefiel es und es machte mit. Zu „Leise rieselt der Schnee“griffen die Kinder nach der letzten gesungenen Gebärde und Wort blitzschnell in ihre Taschen und warfen runde Schneeballkugeln ins Publikum. Nicht der einzige Überraschungseffekt. Der Auftritt ging ans Herz.
Ein paar der gesungenen und gebärdeten Lieder, wie auch viele andere bekannte Kinderlieder, sind in dem „Bunten kinderhände Liederbuch“mit Musik von Klaus Trabitsch und Birgit Denk zu finden, das eine CD und DVD zum Mitgebärden enthält.
Hilfe in vielen Fragestellungen
Die meisten der gehörlosen und schwerhörigen Kinder (90 bis 95 Prozent) werden in hörende Familien geboren. Der Großteil dieser Eltern ist mit der Geburt ihres Babys zum ersten Mal mit dem Thema Gehörlosigkeit konfrontiert. Was bedeutet die Diagnose für die Familie? Welche Sprachen versteht das Kind? Wie schaut die Schulsituation aus? Während die technische Versorgung recht rasch beginnt, bleiben diese und weitere Fragen zu Gebärdensprachen, Identität, Gebärdensprachkultur und Umgang mit einem gehörlosen/schwerhörigen Kind oft unbeantwortet.
Aus diesem Bedarf heraus wurde 2006 der Verein kinderhände – mit Händen sprechen gegründet, der als einziger Verein in ganz Österreich diesen Eltern eine Anlaufstelle bietet. Sie lernen gemeinsam mit ihren Kindern eine Sprache, die über die Augen wahrgenommen werden kann: die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS).
Die Lernangebote von kinderhände sind vielfältig und immer bilingual. Das bedeutet lernen in zwei Sprachen und Kulturen und umfasst folgende Angebote:
ÖGS-Spielgruppen, Kurse und Workshops mit einem hörenden/gehörlosen Trainer-Team ÖGS-Lehr- und Lernmaterialien Beratung und Information für Eltern mit gehörlosen/schwerhörigen Kindern, Pädagogen
Ausbildungsmodule für Pädagogen zum Einsatz von ÖGS und visueller Kommunikation in Lernsituationen.
Freizeit in ÖGS (kinderhände Weihnachtschor, Radtouren, Schwimmkurse)