Staatsgeburt und sanfte Scheidung
Gedenken in Prag. Am 1. Jänner vor 25 Jahren trennten sich Tschechen und Slowaken. Und 2018 stehen auch runde Jahrestage an: von Republikgründung über NS-Einmarsch bis Prager Frühling.
Prag. Es ist ein Jahr, in dem die Tschechen zahlreicher Geschehnisse gedenken, die ihre Geschichte nachdrücklich geprägt haben. Gleich am 1. Jänner 2018 steht das erste, halbrunde Jubiläum an: Vor 25 Jahren erblickten die Tschechische Republik und die Slowakei als eigenständige Staaten das Licht der Welt. Unter dem Dramatiker und einstigen Dissidenten Vaclav´ Havel und dem Ökonomen Vaclav´ Klaus hatte zunächst nach dem Kommunismus eine völlig neue Epoche begonnen. Die einen Knick bekam, als sich Tschechen und Slowaken auseinanderzuleben begannen, der Nationalismus auf beiden Seiten des Grenzflusses March siegte. Immerhin friedlich.
Das Auseinanderbrechen der Tschechoslowakei war damals für viele, vor allem Tschechen, ein trauriger Tag. Aber das Ende des gemeinsamen Staates wurde von den Politikern besiegelt.
Immerhin sind sich beide Nachbarn heute näher denn je, in EU, Nato und im Verein mit Polen und Ungarn in der Visegrad-´Gruppe. So wird das halbrunde Jubiläum der Staatenneugründungen auch feierlich begangen werden.
Der erste runde Gedenktag 2018 geht auf 1618 zurück. Damals kam es zum sogenannten zweiten Prager Fenstersturz. Zwei katholische Statthalter und ein Kanzleisekretär unterlagen der körperlichen Übermacht protestantischer Ständevertreter und wurden aus einem Fenster der Prager Burg geworfen. Für sie ging es zwar einigermaßen glimpflich aus, aber das Ereignis löste den Dreißigjährigen Krieg aus, der Europa verheerte und ein Drittel der Bevölkerung des Kontinents das Leben kostete.
Parade zu Staatsgründung 1918
300 Jahre später, 1918, entstand auf den Ruinen der österreichisch-ungarischen Monarchie der erste tschechoslowakische Staat. Am 28. Oktober wurde die Republik im Prager Gemeindehaus, gleich neben dem Pulverturm, ausgerufen. Es war die Geburtsstunde eines freien und demokratischen Landes unter Präsident Toma´sˇ G. Masaryk. Bis heute ist der 28. Oktober in Tschechien Nationalfeiertag, obwohl es die Tschechoslowakei seit 1993 nicht mehr gibt. Für den 28. Oktober sind in Prag allerlei Festlichkeiten vorbereitet. Es soll zum 100. Gründungsjubiläum des Staates auch wieder einmal eine Truppenparade geben. In der Slowakei begeht man den Jahrestag übrigens nicht als Feiertag.
Eine lange Zeit war der ersten Tschechoslowakei nicht vergönnt. Das Ende wurde 1938 mit dem Münchner Abkommen eingeläutet. Im Glauben, Europa vor einem Krieg zu bewahren, lieferten die Verbündeten England und Frankreich die Tschechoslowakei an Hitler aus. Man entschied „ohne uns über uns“, beschreiben die Tschechen dieses Trauma. Am 1. Oktober besetzten deutsche Truppen das mehrheitlich von Deutschen besiedelte Sudetengebiet. Ein Jahr später marschiert Hitlerdeutschland in der „Rest-Tschechei“ein und installierte ein brutales Besatzungsregime.
Nach Ende des Krieges erstarkten bald schon die Kommunisten. Am 25. Februar 1948 putschen sie unter Führung Klement Gottwalds. Es begann eine Epoche des Stalinismus mit Schauprozessen, Kollektivierung, Nationalisierung des privaten Eigentums und mit Verfolgungen bürgerlicher Kräfte.
Das Land erstarrte innerlich
1968 dann der Aufbruch, der Reformversuch des Prager Frühlings. Der neue Parteichef, Alexander Dubcek,ˇ wollte dem Sozialismus ein „menschliches Antlitz“geben. Doch vor allem Moskau und Ostberlin fürchteten, die Tschechoslowakei werde aus dem sowjetischen Einflussgebiet ausscheren. In der Nacht auf den 21. August rollten Panzer mehrerer WarschauerPakt-Staaten in die Tschechoslowakei. Der Widerstandswille der Menschen erlosch und machte einer Lethargie Platz. Auch die Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach Anfang 1969 war nicht das erhoffte Signal. Es folgte eine bleierne Zeit, die Ära der „Normalisierung“. Die Tschechoslowakei erstarrte innerlich.
1988 wäre – im Sinne der „tschechischen Acht“– ein gutes Jahr für den Zusammenbruch des Kommunismus gewesen. Doch die KP-Führung hielt sich noch ein Jahr länger. Am Ende brach aber das Regime dann binnen weniger Tage zusammen.