Multifunktionär Mutko ist aus der Schusslinie
Russland. Der Rücktritt des Cheforganisators der Fußball-WM bedeutet nicht seine Demontage. Witali Mutko wurde abgezogen, weil er zu viel Unruhe in die Vorbereitungen des Sportfestes brachte. Hinter den Kulissen werkt er weiter.
Moskau. „Mögen andere Leute zurücktreten, ich aber bleibe bei den Sportlern“, hatte Witali Mutko unlängst als Reaktion auf seine lebenslange Olympia-Sperre gesagt. Auch nach seinem Doppelrücktritt diese Woche ist der Satz wahr. Denn Mutko ist aus der Schusslinie – und nach wie vor fest verankert im russischen Sportestablishment.
Zunächst legte der skandalumwitterte Sportmultifunktionär zu Wochenbeginn seinen Posten als Präsident des russischen Fußballverbandes zeitweilig nieder; dann räumte der 59-Jährige den Chefsessel als Vorsitzender des Organisationskomitees für die Fußballweltmeisterschaft. Mutko ist wegen seiner Rolle im Dopingskandal bei den Olympischen Spielen in Sot- schi 2014 umstritten. Damals war er Sportminister. Er selbst hat nach einer Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees den Spielen lebenslang fernzubleiben. Und das russische Team muss 2018 in Südkorea unter neutraler Flagge antreten.
Moskau weist den Vorwurf des staatlich organisierten Dopings von sich. Man hat sich darauf versteift, Anschuldigungen, wie sie etwa vom früheren Leiter des Moskauer Antidopinglabors, Grigorij Rodtschenkow, erhoben wurden, als Verschwörung darzustellen. Jemand wolle den russischen Sport schwächen, hatte auch Mutko stets erklärt. Gleichzeitig macht er klar, dass er sich einer Personalentscheidung durch Präsident Wladimir Putin fügen würde.
Mutko ist nun zwei seiner Posten los, aber längst nicht alle. Der Sportminister der Jahre 2008 bis 2016 wurde erst im Vorjahr, ebenfalls im Zuge der Affäre, seines Amtes enthoben – nur um als Vizepremier erneut die Sportagenden zu erhalten. Mutko ist ein alter Freund von Präsident Putin, wie dieser arbeitete er lange Jahre in St. Petersburg, wo er auch studiert hat. In Russland sorgen seine internationalen Auftritte regelmäßig für Erheiterung – zumal der Politiker eine Art Fantasie-Englisch spricht. Dass er als Minister auch für Jugendagenden verantwortlich ist, wirkt kurios.
Ein halbes Jahr vor Beginn der Fußball-WM wird der Funktionär nun aus dem Rampenlicht verschwinden – und freilich hinter den Kulissen im Regierungsauftrag an den WM-Vorbereitungen weiterwerkeln. Seinen Posten als Chefkoordinator übernimmt Alexej Sorokin, bisher Geschäftsführer des Gremiums, von Affären unbelastet und Mutkos beruflicher Ziehsohn.
Russische Medien interpretierten den Abtritt Mutkos als diplomatisches Manöver. Der „Moskowskij Komsomolez“warf beiden Seiten – Russland und dem Weltfußballverband Fifa – Doppelbödigkeit vor: „Wir tun so, als kämen wir der internationalen Sportgesellschaft entgegen, indem wir eine unbequeme Führungskraft entfernen. Sie tun so, als wären sie zufrieden mit unserem Schritt. Aber eigentlich ändert sich nichts.“