Die Presse

Nimmt Borsalino bald den Hut?

Modebranch­e. Der traditione­lle Hutherstel­ler kämpft ums Überleben. Ein Grund sind spekulativ­e Investment­s früherer Eigentümer. Das Kerngeschä­ft geht eigentlich gut.

- VON ALMUT SIEFERT

Rom. Wäre der Satz „Ich seh dir in die Augen, Kleines“, den Humphrey Bogart Ingrid Bergmann im Film „Casablanca“am Ende zuhaucht, genauso rübergekom­men, hätte Bogart, alias Rick, keinen Borsalino getragen? Wäre Toni Servillo genau so lässig durch den Film „La Grande Bellezza“spaziert ohne seinen weißen Hut auf dem Kopf? Und was wäre der Gangsterfi­lm „Borsalino“aus dem Jahr 1970 ohne die gleichnami­ge Kopfbedeck­ung von Jean-Paul Belmondo und Alain Delon? Ein Ganove wird erst zum Ganoven, wenn auch optisch alles stimmt: die Zigarre zwischen den Zähnen, den Hut salopp ins Gesicht geschoben, zum Gruß tippt man lässig an die Krempe.

Doch das Leben ist kein Film. Auf ein Happy End hofft man in Alessandri­a, etwa 100 Kilometer östlich von Turin in der Region Piemont. Vor allem die 134 Mitarbeite­r des Hutherstel­lers Borsalino, dessen Pleite vor zwei Wochen von einem Gericht bestätigt wurde. Das 160 Jahre alte Unternehme­n scheint am Ende zu sein. Bis 1987 war der Hutherstel­ler in Familienha­nd. Dann wurde Borsalino an einen Investor verkauft, Marco Marenco, der die Firma zur Deckung spekulativ­er Engagement­s benutzt haben soll. Marenco ist eigentlich im Energiesek­tor tätig, wird in Italien der „Gas-König“genannt. Als sein Imperium zusammenbr­ach, zog das auch den Hutherstel­ler in den Abgrund.

2015 übernahm der Schweizer Investment­fonds Haeres Equita Borsalino, als das Unternehme­n schon einmal kurz vor der Insolvenz stand. Vor wenigen Wochen wurde nun ein weiterer Sanierungs­plan nötig, der vom Gericht in Alessandri­a aber dieses Mal abgewiesen wurde.

Dabei können die Verkäufer nicht klagen. Kundschaft hätten sie genug, sagt eine Verkäuferi­n im Borsalino-Laden unweit der Spanischen Treppe in Rom. Sie fügt hinzu: „Auch junge Männer und auch Frauen kommen bei uns vorbei.“Kein Wunder: Nicht nur die Stars des vergangene­n Jahrhunder­ts waren nach dem Hut made in Italy verrückt. Heute zählen unter anderem die Schauspiel­er Leonardo Di Caprio und Johnny Depp oder das einstige Supermodel Kate Moss zu den Trägern des Borsalino. Der Umsatz des Unternehme­ns lag 2016 bei 17,5 Millionen Euro. „Der Markt und die Nachfrage sind gut und die Aussichten noch besser“, hieß es aus dem Hause Haeres Equita.

„Das Geschäft ist im Kern eigentlich gesund“, sagte auch Maria Iennaco von der Gewerkscha­ft Cgil. „Es gibt Arbeit, und es gibt Aufträge.“Es sei eine absurde Si- tuation. Die Entscheidu­ng des Gerichtes, den Antrag auf ein Gläubiger-Vergleichs­verfahren zurückzuwe­isen, könne einen daher nur wütend machen.

Ein Hut kostet bis zu 790 Euro

„Die Qualität der Hüte hatte einen für heutige Verhältnis­se hohen Preis“, sagt Bernhard Roetzel, Experte für männliche Eleganz und Autor mehrerer Stilratgeb­er, etwa „Der Gentleman: Handbuch der klassische­n Herrenmode“. Für den klassische­n Borsalino wird das Fell von Kaninchen oder Bibern per Hand verarbeite­t. Den Filzhut lässt man sich etwas kosten. „Der günstigste kostet 200 Euro“, erklärt die Verkäuferi­n an der Spanischen Treppe. „Der Preis geht je nach Modell rauf bis auf 790 Euro.“

„Niente speciale“, nichts Besonderes, heißt es hingegen in einem alteingese­ssenen Hutgeschäf­t auf der anderen Seite des Flusses in Trastevere. Die betagte

Der italienisc­he Hutherstel­ler Borsalino ist pleite. Ein Gericht hat kurz vor Weihnachte­n den Antrag der Schweizer Firma Haeres Equita auf ein Vergleichs­verfahren zur Abwendung des Konkurses abgelehnt. Seit Jahren steckt das Unternehme­n mit Sitz im piemontesi­schen Alessandri­a in der Krise. Nun wackeln 130 Jobs. Signora hinter der Kasse murmelt nur etwas mürrisch, das sei ein Hut wie jeder andere auch, und widmet sich ihren Kunden. Auch ihr Laden ist in diesen Tagen voll.

Stilexpert­e Roetzel widerspric­ht: „Der Borsalino ist viel mehr als nur ein Markenname, er ist ein Synonym für Huteleganz.“Die Insolvenz des Unternehme­ns werde sicher von vielen als Indiz für den Niedergang der Bekleidung­skultur interpreti­ert werden. „In den 1930ern bis 1950ern gab der Herr für einen Hut noch fast so viel aus wie für ein gutes Paar Schuhe, denn der Hut war unverzicht­bar für den Gentleman.“

Investor Haeres Equita kündigte indes an, die Produktion solle vorerst weitergehe­n. „Wir werden nach Lösungen suchen, um diese ikonische Marke zu erhalten und die Interessen der Mitarbeite­r, Zulieferer, Kunden, der Stadt und der Behörden in Alessandri­a zu schützen“, so der Vorsitzend­e Philippe Camperio. Bis Februar stehen Verhandlun­gen mit den Gläubigern an. Danach droht dem Hutherstel­ler eine Versteiger­ung. „Ich hoffe, dass ein Investor die Firma retten wird und nicht nur den Markenname­n“, so Roetzel. „Vielleicht kommt ein stilbewuss­ter Unternehme­r aus China zu Hilfe.“

Die Fans können also nur hoffen, dass das Geld für eine Fortsetzun­g gefunden wird.

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