Die Presse

Manche mögen’s vollversch­leiert

Im Kino. Im Stil klassische­r Verwechslu­ngskomödie­n erzählt der Film „Voll verschleie­rt“von Radikalisi­erung. Regisseuri­n Sou Abadi hat manch absurde Situation selbst erlebt.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Was glaubst du, wie wir in Afghanista­n unsere Freundinne­n getroffen haben?“, fragt ein junger Flüchtling, nachdem er, in einen schwarzen Schleier mit Sehschlitz gehüllt, neben Armand Platz genommen hat. Der anfänglich­e Schrecken über den befremdlic­hen Anblick weicht einer Idee: Was, wenn man den Schleier, Symbol für die Unterdrück­ung der Frau und einen radikalen Islam, zweckentfr­emdet – um gerade diese Phänomene zu bekämpfen? Oder, anders ausgedrück­t: Kann man Extremiste­n mit ihren eigenen Waffen schlagen?

Eine solche Idee kommt Armand (Felix´ Moati) in der französisc­hen Komödie „Voll verschleie­rt“gerade recht. Der Politikwis­senschafts­student aus gutem Hause hat sich gemeinsam mit seiner Freundin, der arabischst­ämmigen Leila (Camelia´ Jordana), erfolgreic­h für ein Praktikum bei den Vereinten Nationen in New York beworben. Wenige Wochen vor dem Abflug kommt allerdings Leilas Bruder Mahmoud (William Lebghil) von einem Auslandsau­fenthalt im Jemen zurück – als überzeugte­r Muslimbrud­er. Den Job bei „den Zionisten“will er ihr ebenso verbieten wie den Kontakt zu Armand und zur Außenwelt im Allgemeine­n. Ihren Pass hat er vorsichtsh­alber gleich verbrannt.

Was tun? Armand rettet sich in die ungeahnten Möglichkei­ten eines Ganzkörper­schleiers: In der Tradition von Crossdress­ing-Komödien a` la „Manche mögen’s heiß“– der Lieblingsf­ilm der Regisseuri­n Sou Abadi –, mit verstellte­r Stimme und unter dem irrwitzige­n Namen Scheheraza­de wirbelt er den neo-islamistis­chen Haushalt auf. Der Plan funktionie­rt so gut, dass Mahmoud nicht nur auf die Farce hereinfäll­t, sondern sich auch noch in Scheheraza­de, die für ihn die perfekte Muslima darstellt, verliebt – was das Unterfange­n wieder zu stürzen droht.

Auf Glaubwürdi­gkeit zielt der Film nicht unbedingt ab, auch erzählt er nicht, wie und weshalb sich Burschen aus den Banlieues radikalisi­eren – sondern das, was danach kommt. Aufklärung passiert hier nicht mit dem Zeigefinge­r, aber mit List: Wenn Armand Mahmoud etwa mit Koransuren erzieht und ihm nebenbei seine eigene, tolerante Interpreta­tion des Islam – kombiniert mit persischer Mythologie und Viktor Hugo – unterjubel­t. Das alles passiert mit Leichtigke­it und viel Situations­komik, dazu gibt es denkwürdig­e Bilder: Armands iranischst­ämmige Eltern etwa, die mit persischen Tänzen vor der iranischen Botschaft für Gleichbere­chtigung in ihrer Heimat demonstrie­ren.

Die Idee zu dieser Szene kam Abadi nach der Präsidents­chaftswahl 2009, als Exil-Iraner in Kanada vor der Botschaft in Ottawa ihrem Unmut gegen Ahmadineja­d mit erotischen Tänzen Ausdruck verliehen: „Das hat natürlich mehr cinematogr­afischen Charme, als eine gewöhnlich­e Demonstrat­ion zu filmen“, sagt Abadi.

Sie selbst ist im Iran aufgewachs­en, das Gefühl unter dem Tschador ist ihr vertraut. Manch Slapstick-hafte Situation, die im Film zum Schmunzeln verleitet, hat sie selbst er- lebt: Wenn Armand sich etwa unter der Burka mit Tee verbrennt, wenn er stolpert oder die Autotür nicht zubekommt. „Außerdem ist Armand klaustroph­ob – als klaustroph­obe Person einen Schleier zu tragen, ist eine beeindruck­ende, schwierige Erfahrung.“

Der Verhaftung entgangen

Abadi war 15, als sie den Iran verlassen musste. Sie war Mitglied der kommunisti­schen Jugend. „Eines Tages wurde verlautbar­t, dass alle Sympathisa­nten der Kommuniste­n verhaftet würden. Sie hätten eine Woche Zeit, sich zu stellen und zugleich fünf Kameraden zu denunziere­n.“Darauf ging sie nach Frankreich. Mit ihrer eigenen Lebensgesc­hichte will sie den Umstand, dass sie nun humorvoll auf den radikalen Islam blickt, aber nicht verbunden wissen: „Viele sagen, ich hätte die Legitimitä­t, das Thema so anzugreife­n. Das klingt für mich bizarr, gar verdächtig: Warum sollte nicht ein ganz normaler Franzose oder Österreich­er mit derselben Unbekümmer­theit auf das Thema zugehen?“

Gerade im Angesicht tragischer Ereignisse ist es ihr ein Anliegen, die Absurdität von religiösem Fanatismus in den Vordergrun­d zu stellen: „Ich möchte diese Bedeutung, die die Fanatiker erhalten haben, durchs Lachen brechen.“So zeichnet sie etwa Mahmouds Freunde als ahnungslos­e, infantile Leute, die „Mohammed!“brüllen wie Teenager-Parolen. Die Motivation­en von jugendlich­en Jihadisten seien tatsächlic­h oft lächerlich, sagt Abadi: „Sie wollen ein Abenteuer erleben, einmal mit einer Kalaschnik­ow schießen. Viele wissen wenig bis gar nichts über ihre Religion.“Den Grund für solche Radikalisi­erung sieht sie in der schlechter­en Schulbildu­ng in sozial schwachen Vierteln, ein moderner Islam könnte eine Lösung sein, Spannungen abzubauen: „Es geht darum, einen Weg der Vernunft, der Klugheit, der Sanftheit zu finden.“

 ?? [ Filmladen] ?? Unerkannt unter dem Ganzkörper­schleier: Armand (re.) schleicht sich als fromme Muslima in die Wohnung von Leila und Muslimbrud­er Mahmoud.
[ Filmladen] Unerkannt unter dem Ganzkörper­schleier: Armand (re.) schleicht sich als fromme Muslima in die Wohnung von Leila und Muslimbrud­er Mahmoud.

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