Kim mag grausam sein, aber er ist nicht verrückt
Im Konflikt um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm wird immer höher gepokert. Ist eine Entspannung möglich?
Nordkorea hat im Spätherbst 2017 seine ballistische Rakete vom Typ Hwasong-15 getestet, die während ihres 53-minütigen Fluges eine Höhe von 4475 Kilometern erreichte. Auf einer flacheren Flugbahn wäre Kim Jong-uns Regime in der Lage, die Ostküste der Vereinigten Staaten zu erreichen.
Obwohl noch nicht bewiesen ist, dass die Raketen in der Lage sind, die Reibungshitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu überstehen, hat Nordkorea verkündet, dass das nukleare Raketenprogramm erfolgreich abgeschlossen und es nun eine Atommacht sei. Wie andere US-Präsidenten vor ihm hat Donald Trump diese Situation für nicht hinnehmbar erklärt. Was nun?
Bevor wir uns der Politik zuwenden, ist es wichtig, mit einigen Mythen aufzuräumen, die einer klaren Analyse im Wege stehen. Erstens mag Kim ein grausamer Diktator sein, aber er ist weder verrückt noch lebensmüde. Bisher hat er die USA in diesem Spiel, in dem hoch gepokert wird, übertrumpft. Aber er ist sich darüber im Klaren, dass ein nuklearer Schlagabtausch mit den USA das Ende seines Regimes, das er zu erhalten versucht, bedeuten würde.
Chinas Kompromissvorschlag
Zweitens haben sich die USA durch Kim zu einem verbalen Schlagabtausch hinreißen lassen. Nordkorea aber ist bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im Besitz von Atomwaffen, die auf anderem Wege in US-Häfen an der Ostoder Westküste gelangen könnten, etwa im Laderaum eines Frachters.
Drittens verschaffen die geografischen Gegebenheiten Nordkorea in diesem Spiel mit dem Feuer die Dominanz über eine lokale Eskalation des Konflikts. Mit Tausenden von Artilleriegeschützen in Grenznähe kann Nordkorea drohen, Südkoreas Hauptstadt Seoul mit konventionellen Waffen ins Chaos zu stürzen. Das haben die USA 1994 herausgefunden – lange bevor Nordkorea im Besitz von Kernwaffen war – als sie einen Präventivschlag gegen die Nuklearanlagen in Yongbyon planten – nur um festzustellen, dass ihre Verbündeten in Südkorea (und Japan) angesichts der Gefahr konventioneller Vergeltungsschläge zurückschreckten.
Auf politischer Ebene hat China einen Kompromiss vorgeschlagen, um die nuklearen Ambitionen des Nordens zu kontrollieren: Nordkorea setzt alle Atom- und Raketentests aus (was einfach zu überprüfen wäre); damit würde Nordkorea zwar sein Status als Atommacht nicht wieder genommen, aber die Entwicklung seines Arsenals würde verlangsamt.
Im Gegenzug verzichten die USA auf die jährlich stattfindenden gemeinsamen Militärmanöver mit Südkorea; ein Verzicht unter dem Vorbehalt, dass die Manöver wieder aufgenommen werden, falls Nordkorea gegen das Testver-