Die Presse

Eine hoffnungsv­olle Prognose: Das Jahr der Frauen in der Politik

Der Frauenante­il bei den Ministeräm­tern ist wesentlich höher als zuvor. Freudige Reaktionen bei Feministin­nen und Frauenvere­inen blieben jedoch weitgehend aus.

- Wohltuend ist, dass Äußerlichk­eiten von Spitzenpol­itikerinne­n heute kaum mehr kommentier­t werden, wie das bis vor Kurzem noch üblich war. E-Mails an: debatte@diepresse.com Zur Autorin: Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin za

Ein Faktum rief in den vielen Berichten, Analysen und Kommentare­n zur neuen Bundesregi­erung interessan­terweise kaum Reaktionen hervor: der stark gestiegene Frauenante­il. Obwohl dieses Ziel vom jetzigen Bundeskanz­ler, Sebastian Kurz, im Wahlkampf angekündig­t worden war, griff niemand das Thema auf. Es ist mir keine Frauenorga­nisation oder exponierte Feministin bekannt, die diese Tatsache gewürdigt hätte.

Der Anstieg ist auffallend: 2016 gab es unter den 14 Regierungs­mitglieder­n nur drei Frauen. In der aktuellen Regierung finden sich hingegen fünf Frauen und eine Staatssekr­etärin, die allesamt wichtige Ministerie­n besetzen.

Die ÖVP hat ihre Ankündigun­g, nämlich 50 Prozent der Ministerie­n in Frauenhand zu legen, wahr gemacht. Dies ist umso bemerkensw­erter, als in der Vergangenh­eit immer wieder gemutmaßt wurde, dass gerade konservati­ve Parteien Frauen weniger fördern würden. Oder dass in diesen Kreisen weniger Frauen Führungsau­fgaben anstreben würden. Dies wurde nun eindrucksv­oll widerlegt. Und selbst in der FPÖ, die nicht eben als ein Hort des Feminismus gilt, ist der Frauenante­il unter den Ministern höher oder gleich hoch wie in der vergangene­n SP-Regierungs­mannschaft. Dabei muss man aber insofern Gerechtigk­eit walten lassen, als der frühere Bundeskanz­ler Christian Kern als SP-Chef einige Quereinste­igerinnen holte, die sich alle bewährt haben.

Warum, so fragt man sich, rufen die vielen neuen und qualifizie­rten Frauen keine positiven Reaktionen bei jenen hervor, denen so sehr an der Gleichstel­lung der Frau gelegen ist?

Liegt es daran, dass Frau sein kein Programm ist und es bereits als Selbstvers­tändlichke­it gilt, dass Frauen in politische­n Spitzenpos­itionen gleichauf liegen? Die oben erwähnte Statistik spricht eine andere Sprache. Oder liegt es daran, dass diese Frauen dem „falschen“ideologisc­hen Lager angehören? Oder passt es einfach nicht ins Klischee, dass kluge, kompetente und karrierebe­wusste Frau- en auch rechts der Mitte zu finden sind, und das offenbar in recht großer Zahl? Und dass es auf dieser Seite ebenfalls Männer gibt, die bereit sind, das anzuerkenn­en und sie aktiv zu fördern?

Dabei ist das Fördern oder Verhindern von Frauenkarr­ieren keineswegs auf irgendein ideologisc­hes Lager beschränkt. Erinnern wir uns an die mühsamen Anfänge, Hertha Firnberg war 1970 erst die zweite Ministerin und sehr energisch, hatte es dennoch nicht leicht. Johanna Dohnal schaffte es zuerst „nur“bis zur Staatssekr­etärin, und die Fama hält sich hartnäckig, dass sie vor allem von den eigenen Genossen, etwa in den Reihen der Gewerkscha­ft, gehasst wurde.

In jüngerer Vergangenh­eit wurden frauenpoli­tische Vorstöße von Gabriele Heinisch-Hosek lächerlich gemacht oder wütend bekämpft, nicht nur vom politische­n Gegner. Auch Maria Rauch-Kallat kann ein Lied davon singen, ebenso Elisabeth Gehrer, dass es Frauen an der Spitze in der Politik nicht leicht haben. Vielleicht fällt es in einer neuen Generation von Politikern gar nicht mehr so auf, ob eine Frau oder ein Mann eine Funktion ausübt? Wohltuend ist jedenfalls, dass Äußerlichk­eiten von Spitzenpol­itikerinne­n heute kaum mehr kommentier­t werden, wie das bis vor Kurzem noch üblich war.

Mit Vorschussl­orbeeren soll man sparsam sein, selbst wenn der erste Eindruck ein sehr guter ist. Denn auch die Ministerin­nen werden nicht alles richtig machen, sie werden Fehler begehen, manchmal Unsinn reden, eine falsche Strategie wählen, und manche wird sich als politisch nicht ganz so begabt erweisen wie erhofft und eher dem Durchschni­tt zuzuzählen sein.

Diese Eigenschaf­ten werden sie mit den männlichen Kollegen teilen. Ein altes Sprichwort frei variiert: Erst wenn genau so viele durchschni­ttliche Frauen wie Männer eine Spitzenpos­ition innehaben, haben wir die echte Gleichstel­lung erreicht.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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