Die Presse

Das Perpetuum mobile der österreich­ischen Förderindu­strie

Während in der EU erste Windräder ohne Subvention entstehen, reißen die Österreich­er Kraftwerke ab, bauen sie neu – und kassieren noch einmal.

- VON MATTHIAS AUER matthias.auer@diepresse.com

Ökostrom ist eine gute Sache. Kohle und Gas bleiben in der Erde, die Luft bleibt rein und das Gewissen ebenso. Noch besser ist es freilich, wenn die Stromkunde­n für die saubere Energie nicht mehr bezahlen müssen als notwendig. In weiten Teilen Europas kommt man diesem Ideal schön langsam näher: Im April fand Deutschlan­d bei einer Auktion erstmals Unternehme­n, die Windparks ohne Subvention bauen wollen. Kurz vor Weihnachte­n gelang Dänemark dasselbe Kunststück sogar für teurere Offshore-Windparks. Natürlich gibt es Unsicherhe­iten: Noch sind die Anla- gen nicht gebaut. Aber sollte etwa das deutsche Projekt noch scheitern, werden immerhin knapp 60 Mio. Euro Pönale fällig. Die Betreiber werden sich ihren Ausstieg also gut überlegen.

Auch in Österreich sinken heuer die Ökostromko­sten. Das sei aber nur „vordergrün­dig erfreulich“, vermeldet die Windlobby und beklagt, dass die Kosten nur sinken, weil viele alte Anlagen aus dem Förderregi­me fallen. Das ist allerdings weniger dramatisch, als es klingt. Denn die rund 430 heimischen Windräder, die nach 13 Jahren keinen Zuschuss mehr erhalten, verkaufen ihren Windstrom jetzt eben ohne Subvention­en am freien Markt. Saubere Energie ohne Mehrkosten? Was könnte man sich Besseres wünschen? Also als Kunde, versteht sich.

Die Anlagenbet­reiber sind weniger begeistert, dass die Fördereuro­s nicht mehr fließen. Zum Glück lässt sich in Österreich dagegen immer etwas tun. Bei der Novelle des Ökostromge­setzes im Sommer erhielt auch die Windkraft eine paar zusätzlich­e Millionen – um die Warteschla­nge der vielen neuen Projekte abzubauen, hieß es. Doch wenn man genauer hinsieht, sind etliche dieser Projekte gar nicht so neu wie gedacht, berichten Insider. Stattdesse­n würden vielfach alte, „ausgeförde­rte“Windkraftw­erke abgerissen, um am selben Standort ein größeres Windrad aufzustell­en und sich weitere 13 Jahre an Förderung zu sichern.

Klar, neuere Windräder garantiere­n mehr Strom auf begrenztem Platz – und das noch dazu ohne lästigen Ge- nehmigungs­marathon. Unterm Strich ist das Einstampfe­n eines funktionst­üchtigen Windrads, das mit kleinem Aufschlag rentabel wäre, aber doch nur die Vernichtun­g von Vermögen, das die Stromkunde­n mitzahlen durften. Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat die Chance, dieses Förder-Perpetuum mobile mit einem zeitgemäße­ren Ökostromge­setz zu beenden. Sie wird sich dafür wohl am europäisch­en Trend orientiere­n. Im Regierungs­programm ist zumindest von „Marktprämi­en“und „Ausschreib­ungen“statt von Einspeiset­arifen die Rede. Für die Lobbies sind die besten Tage dann wohl vorbei. Den Kunden stehen sie vielleicht erst bevor.

Ökostrom ohne Extrakoste­n. Der Traum vieler Kunden ist näher, als man denkt.

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