Wie viele Vögel sind noch da?
Die Rotkehlchen werden weniger, der Bestand der Meisen ist stabil, und die Amsel erholt sich langsam wieder.
Wien. Es ist ein Kommen und Gehen – oder vielmehr ein Fliegen. Jahr für Jahr setzen sich unterschiedliche Vögel in den heimischen Gärten nieder: solche, die bleiben, genauso wie jene, die nur überwintern. Dass das nicht immer dieselben Vögel sind, versteht sich bei dem Flugverkehr von selbst. Aber auch bei den Arten ändert sich etwas. So werden die Rotkehlchen weniger, die Anzahl der Meisen bleibt stabil, während sich die Amsel langsam von dem Amselsterben erholt hat, das vor zehn Jahren durch ein eingeschlepptes Virus seinen Höhepunkt hatte. Dass das Virus wieder zurück ist, hat sich bis jetzt noch nicht auf den Bestand ausgewirkt.
Genaueres wird man aber wohl erst nach der großen Vogelzählung wissen, zu der die Organisation Birdlife Österreich ab heute, Freitag, aufruft. Bis Sonntag können heimische Gartenbesitzer bei der Zählung der Wintervögel mitmachen. Dabei wird für je eine Stunde lang die Anzahl der Vögel im Garten gezählt (siehe Info-Box).
240.000 Vögel pro Jahr
Bereits zum neunten Mal werden heuer auf diesem Weg heimische Vögel gezählt, im Vorjahr haben rund 8800 Menschen mitgemacht. „Diese Vogelzählung ist in ihrer Größenordnung sicher einmalig. Andere Zählungen sind deutlich spezieller“, sagt Gabor´ Wichmann, Geschäftsführer von Birdlife Österreich. In den letzten Jahren wurden dabei im Schnitt rund 240.000 Wintervögel pro Jahr gezählt. „Wobei man aufpassen muss, weil die Teilnehmerzahl gestiegen ist. Relativ gesehen haben wir pro Garten etwa 40 Vögel.“Die meisten Meldungen gab es in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark, die wenigsten in Wien.
Durch diese groß angelegte Vogelzählung können auch Rückschlüsse auf die Bestände der einzelnen Vogelarten gezogen werden. „Der Bestand der Rotkehlchen hat in den letzten Jahren ab- genommen“, sagt Wichmann. Der Bestand der Meisen, allen voran der Kohl- und Blaumeise, bleibt hingegen stabil. Wobei die Kohlmeise, die seit Jahren am häufigsten in Österreich gesichtet wurde, im Vorjahr erstmals ihren ersten Platz zugunsten des Feldsperlings aufgeben musste.
Besonders gespannt ist Wichmann auf die Daten zur Amsel. Sie litt nämlich vor gut zehn Jahren unter dem Usutu-Virus. „Das wurde aus Afrika eingeschleppt, durch die Mobilität der Menschheit“, so der Ornithologe. Damals kam es zu einem massiven Amselsterben, von dem sich die Vogelart mittlerweile allerdings erholt hat. Einer Studie der Veterinärmedizinischen Universität zufolge sei aber ebendieses Virus wieder aufgetaucht. Bisher gebe es noch keine Hinweise auf ein neues Amselsterben.
Auch der Grünfink oder Grünling hat derzeit mit einer Krankheit zu kämpfen, die für die betroffenen Vögel tödlich endet. Um 30 bis 40 Prozent ist der Grünfink-Bestand durch die Krankheit Trichomoniasis zurückgegangen. Ein Parasit befällt dabei den Verdauungstrakt des Vogels, woraufhin das Tier auch mit vollem Magen ver- hungert. Diese Erkrankung kommt vorwiegend im Sommer vor, das Ausmaß wird sich aber erst jetzt zeigen.
Im Gegensatz zu eingeschleppten Krankheiten kämen aber Parasiterkrankungen in der heimischen Vogelwelt immer wieder vor. Dennoch müsse man den Bestand beobachten und bei Verschlimmerung Maßnahmen setzen, etwa den Lebensraum der einzelnen Arten schützen. Wobei es hier den heimischen Wintervögeln noch besser geht als den Feldvögeln. In den letzten 20 Jahren ist nämlich jeder dritte Acker- oder Feldvogel verschwunden. Während es von der Feldlerche früher etwa an die 150.000 Brutpaare pro Jahr gab, ist der Bestand mittlerweile auf 50.000 gesunken. Das habe mit der Intensivierung der Landwirtschaft zu tun, die den Lebensraum der Vögel einschränke, erklärt Wichmann. „Felder werden größer, Hecken werden weniger. Es kommen größere Maschinen zum Einsatz, und es wird auch häufiger gemäht. In den Gärten geht es den Vögeln noch tendenziell besser.“
Ortolan ausgestorben
Wobei er auch in den Gärten einen Trend hin zu wenig vogelfreundlicher Gartengestaltung beobachtet, wie zum Beispiel Thujenhecken oder englischer Rasen. Naturnahe Gartengestaltung wird zwar häufig diskutiert, wirklich durchgesetzt hat sie sich aber noch nicht. „Streuobstwiesen werden weniger. Und vor allem in Wien werden die Häuser in den Kleingärten immer größer, die Schrebergärten gehen verloren.“
So ist etwa der Ortolan (auch Gartenammer), der früher hierzulande häufig anzutreffen war – und in Frankreich als Delikatesse gilt –, im vorletzten Jahr in Österreich ausgestorben. „Er ist eigent- lich in ganz Europa nicht mehr anzutreffen“, sagt Wichmann.
Damit das bei anderen Vogelarten nicht auch noch passiert, kann der Mensch zumindest ein bisschen entgegenwirken. Das Rotkehlchen etwa ist auf Büsche angewiesen, das Braunkehlchen wiederum braucht extensive Wiesen, die nur einmal im Jahr gemäht werden. Wichmann fasst eine vogelfreundliche Gartengestaltung mit den Worten „nicht alles zu Tode pflegen“zusammen, sprich, man soll Büsche und samenreiche, heimische Pflanzen wachsen lassen, und alte, kaputte Bäume – wenn möglich – zumindest eine Zeit lang stehen lassen. Und natürlich kann auch gefüttert werden, etwa Äpfel, Sonnenblumenkerne, Rosinen oder Haferflocken.