AKP attackiert Höchstgericht
Türkei. Justizminister kritisiert die geplante Freilassung von zwei Journalisten. Der Chef der prokurdischen HDP kam erstmals vor Gericht.
Ankara. Das Urteil der Verfassungsrichter hat umgehend Kritik von höchster Stelle nach sich gezogen: Das Gericht habe seine Kompetenzen überschritten, teilte der türkische Justizminister Bekir Bozdag˘ am Freitag mit. Anlass war dessen Entscheidung, die U-Haft von zwei Journalisten, Sahin¸ Alpay und Mehmet Altan, aufzuheben; denn damit werde gegen die Meinungs- und Pressefreiheit verstoßen. Bozdag˘ wirft dem Verfassungsgericht vor, er habe nicht nur über die U-Haft entschieden, sondern den gesamten Fall der beiden bewertet – was eigentlich die Arbeit eines Berufungsgericht sei. Den Jour- nalisten wird Terrorpropaganda rund um den gescheiterten Putsch im vergangenen Jahr vorgeworfen, als Beweise sollen ihre Zeitungsartikel dienen. Aufgrund dieses Urteils machen sich nun mehr als 100 inhaftierte Journalisten in der Türkei Hoffnung auf baldige Freilassung, darunter auch der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel. Nur: Alpay und Altan befinden sich weiterhin im Gefängnis, die zuständigen Strafgerichte sollen das Urteil noch nicht erhalten haben.
Großer (Medien-)Andrang herrschte am Freitag auch in einem Istanbuler Gericht: Der seit mehr als einem Jahr inhaftierte KoChef der prokurdischen HDP, Selahattin Demirtas,¸ wurde zum ersten Mal vor den Richter gebracht. Er soll Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ beleidigt haben, ihm drohen bis zu vier Jahre Haft. Für Beobachter ist Demirtas’¸ Verhaftung politisch motiviert, zumal der Kurdenkonflikt im Südosten des Landes wieder voll entbrannt ist. Gefragt nach seiner Adresse, antwortete Demirtas¸ vor Gericht: „Das türkische Parlament.“Er kritisierte insbesondere, dass er trotz Immunität verhaftet worden sei. Zudem kreidete er die lange Wartezeit an, um vor Gericht erscheinen zu dürfen. Der Richter vertagte den Prozess auf Mai. (ag./duö)