Die Presse

Kinderbonu­s erhöht Unterhalts­pflicht

Alimente. Unterhalts­experte Günter Tews rechnet mit einer Flut an Gerichtsve­rfahren über eine Erhöhung des Kindesunte­rhalts als Folge der neuen Steuerbegü­nstigung.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Die Freude mancher Elternteil­e über den von der türkis-blauen Regierung geplanten Familienbo­nus wird wohl nur kurz anhalten. Wer nämlich von seinen Kindern getrennt lebt und deshalb Geldunterh­alt zahlt, muss möglicherw­eise den neuen Steuervort­eil in voller Höhe an den betreuende­n Elternteil weiterreic­hen.

Die Steuerentl­astung von bis zu 1500 Euro pro Kind und Jahr – sie setzt eine Steuerpfli­cht mindestens in dieser Höhe voraus – erhöht das Nettoeinko­mmen und damit die Bemessungs­grundlage für den Unterhalt. Nach Berechnung­en des Rechtsanwa­lts und Unterhalts­experten Günter Tews steigt beispielsw­eise bei einem Bruttoeink­ommen von 1950 Euro 14-mal jährlich der monatliche Unterhalt für ein achtjährig­es Kind um mindestens 15 Euro.

Steuervort­eil weitergebe­n

Wenn die Gerichte von den Unterhalts­pflichtige­n aber verlangen, den Steuervort­eil zur Gänze den Kindern zukommen zu lassen – und dazu neigt die Rechtsprec­hung –, dann können die Alimente um bis zu 125 Euro monatlich (= 1500 durch zwölf ) steigen. Kleiner wäre der Aufschlag nur dann, wenn der Unterhalts­zahler weni- ger als 1500 Euro pro Kind an Steuern zahlt, denn dann fällt auch der Bonus kleiner aus.

Teilen sich die Eltern den Familienbo­nus, sind es immer noch 62,50 Euro. Das setzt aber voraus, dass beide entspreche­nd steuerpfli­chtig sind. „Mich wundert es nicht, wenn sich die Unterhalts­pflichtige­n von der Politik an der Nase herumgefüh­rt fühlen“, sagt Tews zur „Presse“. Er rechnet mit einer Flut an Gerichtsve­rfahren zur Erhöhung des Unterhalts. Allein im Vorjahr gab es bei den Gerichten knapp 90.000 Anträge auf Unterhalts­festsetzun­g (davon betrafen rund 50.000 Unterhalts­vorschuss von staatliche­r Seite).

Tews räumt ein, dass der Kinderbonu­s den Zweck hat, zu- mindest teilweise auch den Kindern zugutezuko­mmen. Während der Bonus aber dem Geldunterh­altspflich­tigen de facto mit Zwang abgenommen wird, bleibt es dem betreuende­n Elternteil letztlich selbst überlassen, wofür er das Geld ausgibt. „Das Ganze als eine große Entlastung der Unterhalts­pflichtige­n zu verkaufen stört mich schon sehr“, sagt Tews. Ehrlicher wäre es schon, das Geld direkt den Kindern zukommen zu lassen.

Verzicht ginge ins Geld

Könnte ein Unterhalts­pflichtige­r, der seine Exfrau ärgern will, einfach darauf verzichten, den Familienbo­nus geltend zu machen? Das wäre keine gute Idee. Im Unterhalts­recht gilt der Anspannung­sgrundsatz. Demnach muss der Verpflicht­ete alles ihm realistisc­h Mögliche tun, um Geld zu verdienen. Tut er es nicht, werden die Alimente dennoch nach den höheren Verdienstm­öglichkeit­en berechnet.

„Der Vater würde mit Sicherheit auf die Inanspruch­nahme des Kinderbonu­s angespannt werden“, sagt Tews. Es gebe bereits eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs, wonach ein Unterhalts­pflichtige­r gezwungen war, eine Arbeitnehm­erveranlag­ung zur Rückvergüt­ung von Lohnsteuer zu beantragen (7 Ob 97/08b).

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