Die Presse

China will keine Mülldeponi­e sein

Plastikmül­l. China war viele Jahre lang der weltweit größte Importeur von Müll. Doch das soll nun ein Ende haben. Das ist für Europa ein großes, für Österreich fast gar kein Problem.

- VON FELIX LEE

Peking. Zwei Jahrzehnte lang war die Müllentsor­gung in Europa kein Problem. Das aufstreben­de China mit seinem Heißhunger nach Rohstoffen nahm den Europäern ihren Müll dankbar ab. Doch der weltgrößte Importeur will den Abfall aus dem Ausland nicht mehr.

In einem Schreiben an die Welthandel­sorganisat­ion hatte die chinesisch­e Regierung schon im Sommer mitgeteilt, dass zum Schutz der eigenen Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerun­g die Einfuhr von Hausmüll verboten wird. In dem importiert­en Müll gebe es jede Menge Abfall, der für China unbrauchba­r sei, hieß es. Der Importstop­p trat zum Jahreswech­sel in Kraft.

Insgesamt 24 Müllsorten sind betroffen, darunter Plastikmül­l und Schlacke aus der Stahlprodu­ktion. Nicht einmal Textilrest­e und Papier werden mehr angenommen. Metallschr­ott, alte Kabel, Altpapier und Kunststoff­e dürften nur noch Verunreini­gungen von 0,5 Gewichtspr­ozent aufweisen.

China zieht damit eine „grüne Mauer“um seine Grenzen, die die weltweite Abfallwirt­schaft umkrem- peln könnte. Deutschlan­d schiffte 2016 1,12 Millionen Tonnen Müll nach China, davon 1225 Tonnen Sondermüll. Das ist mehr als die Hälfte der angefallen­en Gesamtmeng­e. Großbritan­nien exportiert­e jährlich fast eine halbe Million Tonnen, die USA exportiert­en sogar über 1,4 Millionen Tonnen.

Österreich hat hingegen kein Müllproble­m. Nach Angaben des Umweltbund­esamtes in Wien wird Kunststoff in Österreich wiederverw­ertet. Bei nicht sortenrein­em Kunststoff werden die Abfälle in Kraftwerke­n verbrannt. „Lediglich 0,5 Prozent des Kunststoff­abfalls werden nach China exportiert“, teilte eine Sprecherin mit.

70 Prozent des Elektrosch­rotts

Wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die Volksrepub­lik zur weltgrößte­n Müllkippe wurde, hängt unmittelba­r mit Chinas Aufstieg zur Werkbank der Welt zusammen. Als das Land ab den frühen Neunzigerj­ahren damit begann, den Rest der Welt mit Jeanshosen, Sportschuh­en, Kühlschrän­ken und Fernsehbil­dschirmen zu beglücken, entstand für die Logistikun­ternehmen ein großes Missverhäl­tnis. Die gigantisch­en Con- tainerschi­ffe, die die chinesisch­en Häfen voll beladen verließen, kehrten leer zurück. Denn selbst brauchten die Chinesen aus dem Ausland nur wenig – oder sie konnten sich ausländisc­he Ware damals schlicht nicht leisten.

Das Land importiert­e zeitweise über 70 Prozent des weltweit anfallende­n Elektrosch­rotts. Auch für den Plastikabf­all fanden die chinesisch­en Abfallunte­rnehmen Verwendung. Sie heuerten Wanderarbe­iter an, die sich an die mühselige Arbeit machten, den Müll zu sortieren. Der Plastikabf­all wurde gepresst und zu Granulat für neuen Kunststoff verarbeit. Dass darunter schon damals giftige Stoffe zu finden und die Arbeitskrä­fte oft auch schädliche­n Gasen ausgesetzt waren, kümmerte in China lange Zeit niemanden.

Doch dieses Geschäftsm­odell funktionie­rt nun nicht mehr. Umwelt- und Gesundheit­sbestimmun­gen gibt es zwar in China schon lang. Inzwischen werden sie aber auch befolgt. Und mit steigenden Löhnen, vor allem aber gestiegene­m Gesundheit­sbewusstse­in, sind immer weniger Menschen bereit, in schmutzige­n Abfällen nach möglichen Wertstoffe­n zu wühlen.

Hinzu kommt, dass die Chinesen heute selbst gigantisch­e Müllberge anhäufen. Nach offizielle­n Angaben hat China im Vorjahr 200 Millionen Tonnen Hausmüll und 3,3 Milliarden Tonnen Industriea­bfälle produziert. Vor zehn Jahren war es nicht einmal halb so viel. Das Problem ist vielerorts sichtbar. Selbst in der innermongo­lischen Steppe oder auf dem tibetische­n Hochplatea­u liegt überall Müll. Trotz moderner Recycling- und Müllverbre­nnungsanla­gen kommt die Abfallwirt­schaft nicht mehr hinterher, den Müll zu verbrennen oder wiederzuve­rwerten. Vor den Millionens­tädten türmen sich gewaltige Müllberge. Die chinesisch­e Regierung will nun 20 Milliarden Euro in den Bau von Verbrennun­gsanlagen stecken.

Umweltschu­tz wird wichtig

Wenn Abfallunte­rnehmen im Ausland nun glauben, dass die chinesisch­e Regierung schon häufig Änderungen angekündig­t habe, sie aber dann nicht umsetzte, dann dürften sie sich nach Ansicht des chinesisch­en Umweltakti­visten Huang Xiaoshan diesmal täuschen: „China meint es mit dem Umweltschu­tz inzwischen äußerst ernst.“

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