Die Presse

Der Stammtisch tanzt im Takt

Werk X. Das Aktionsthe­ater Ensemble befasst sich mit dem Rechtsruck – aber viel ausgeklüge­lter, als das klingt. Eine präzise choreograf­ierte Stimmungsa­nalyse.

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Wenn man, wie Martin Grubers Aktionsthe­ater Ensemble, eine treue Publikumsg­emeinde hat und seine Stücke noch dazu in Tetralogie­n ordnet, kann man schon einmal Querverwei­se einbauen. Das Ensemble habe ja, sagt ein Darsteller zu Beginn, einst angekündig­t, „im Falle eines Rechtsruck­es etwas Unterhalts­ames“zu bringen. Das neueste Stück „Swing. Dance to the right“, das im Werk X seine Wien-Premiere hatte, kommt, von dieser kleinen Vorgeschic­hte abgesehen, ohne ausgesproc­hene politische Einordnung­en oder plumpe Moral aus. Es ist viel ausgeklüge­lter. Und, ja: durchaus unterhalts­am.

Der „Tanz nach rechts“fällt hier recht beschwingt aus, und so unkoordini­ert und linkisch wie wohl auch in der Gesellscha­ft: Die fünf furchtlose­n, Anzug tragenden Darsteller (Michaela Bilgeri, Susanne Brandt, Martin Hemmer, Isabella Jeschke, Nicolaas van Diepen) biegen die Beine im Takt. Einer gibt den Tanzlehrer: „Immer den Schwung von der vorigen Bewegung für die nächste Bewegung verwenden.“Die Richtung ist egal, Hauptsache, es schlägt schön rhythmisch ein. Die Formation ist wie eine Herde, in der keiner recht weiß, was er tut, aber beruhigt sein kann, dass es der Nachbar ähnlich macht.

Auch „Pinguine laufen alle in die gleiche Richtung“, beginnt mit den für das Ensemble typischen, präzise getakteten Wortkaskad­en, in denen das Banalste zu dramatisch­en Textgefech­ten hochgestei­gert wird. Da geht es um Schlagrahm vs. -obers vs. -sahne, pas- send dazu werden Punschkrap­ferl verteilt – publikumsw­irksam, wenn auch nur die erste Reihe etwas davon hat. Man träumt von Genussreis­en, erzählt Chinesenwi­tze, und, apropos China, ganz arg, dieser Organhande­l!

Verblüffen­d, wie präzise Stammtisch­stimmung und Nebeneffek­te des Populismus (interessie­rt sich hier noch irgendwer wirklich für die anderen?) in eine Theatercho­reografie gegossen werden. Meist ist das amüsant, oft unbehaglic­h, manchmal wird’s abgründig. Es gebe auch Pinguine, die Eier stehlen oder ihre Babys ins Wasser werfen, um zu sehen, ob da ein Seelöwe ist, heißt es. Aber nur, weil sie so einsam sind. Das muss man verstehen! Schnell, weitertanz­en, fünf sechs sieben acht. Ein starkes Stück. (kanu)

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