Die Presse

Chinas weiche Macht und seine schärferen Werkzeuge

Wie die westlichen Demokratie­n mit einem seine Machtmitte­l immer forscher einsetzend­en China umgehen sollten.

- VON JOSEPH S. NYE

China hat Milliarden von Dollars investiert, um seine „weiche Macht“zu steigern. Doch in letzter Zeit ist es in den demokratis­chen Ländern Gegenwind ausgesetzt. Ein neuer Bericht der National Endowment for Democracy argumentie­rt, dass wir das Konzept der weichen Macht neu überdenken müssen, weil „das seit Ende des Kalten Krieges verwendete Vokabular der jetzigen Situation nicht mehr angemessen zu sein scheint“.

Der Bericht beschreibt die zunehmende­n Einflüsse autoritäre­r Staaten, die überall auf der Welt als „scharfe Macht“zu spüren sind. Das Londoner Magazin „Economist“umschrieb „scharfe Macht“jüngst als „Zersetzung, Schikanen und Druck, die zusammenwi­rken, um Selbstzens­ur zu fördern“.

Während weiche Macht die Attraktivi­tät von Kultur und Werten nutzt, um die Stärke eines Landes zu vermehren, hilft scharfe Macht autoritäre­n Regimen, zu Hause ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen und im Ausland die Meinungsbi­ldung zu manipulier­en.

Bestrafung Norwegens

Weiche Macht – die Fähigkeit, andere durch Attraktivi­tät und Überredung statt durch harte Macht von Zwang und Bezahlung zu beeinfluss­en – wird manchmal verwendet, um jede Art von Machtausüb­ung zu beschreibe­n, die nicht den Einsatz von Gewaltmitt­eln beinhaltet. Aber das ist falsch. Macht hängt manchmal davon ab, wessen Armee oder Wirtschaft siegt, aber sie kann auch davon abhängen, wessen Geschichte siegt.

Ein starkes Narrativ ist eine Quelle von Macht. Chinas wirtschaft­licher Erfolg hat sowohl harte als auch weiche Macht hervorgebr­acht, aber in Grenzen. Chinesisch­e Wirtschaft­shilfen im Rahmen der Seidenstra­ßeninitiat­ive mögen gütig und attraktiv erscheinen – aber nicht, wenn die daran geknüpften Bedingunge­n ins Un- angenehme umschlagen, wie das kürzlich bei einem Hafenproje­kt in Sri Lanka der Fall war.

Genauso hat die anderweiti­ge Ausübung harter wirtschaft­licher Macht die weiche Macht des chinesisch­en Narrativs untergrabe­n. So hat China Norwegen dafür bestraft, dass es Liu Xiaobo den Friedensno­belpreis zugesproch­en hat. Es drohte zudem mit Zugangsbes­chränkunge­n zum chinesisch­en Markt für einen australisc­hen Verlag, der ein chinakriti­sches Buch herausgebr­acht hat.

Wenn wir den Begriff scharfe Macht als Verkürzung für Informatio­nskriegsfü­hrung verwenden, wird der Gegensatz zur weichen Macht klar ersichtlic­h. Scharfe Macht ist harte Macht. Sie manipulier­t Informatio­nen, die nicht materiell fassbar sind. Aber mangelnde materielle Fassbarkei­t ist kein kennzeichn­endes Merkmal von weicher Macht. Verbale Drohungen etwa sind sowohl nicht materiell fassbar als auch eine Form von Zwang.

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