Sag mir, wo die Grünen jetzt sind – und vor allem, was sie wollen?
Warum politische Parteien auch nach Jahrzehnten schnell verschwinden können. Der grüne Bundessprecher, Werner Kogler, zeigt, wie es gehen könnte.
Dreißig Jahre politische Aufbauarbeit in wenigen Wochen wie weggewischt. Seit dem Rauswurf aus dem Nationalrat am 15. Oktober sind die Grünen in Österreich aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Daran kann auch die eine oder andere Wortmeldung Werner Koglers, derzeit Bundessprecher, nichts ändern.
Die Rasanz, mit der die Grünen als politischer Faktor irrelevant geworden sind, sollte anderen Parteien eine Lehre sein. Sie waren zu keinem Zeitpunkt gegen die Versenkung in die Bedeutungslosigkeit gefeit, aber so rasch wie derzeit ging das früher nicht. Das ist im Fall der Grünen, rein theoretisch, aus zwei Gründen erstaunlich: Erstens herrschte Einigkeit darüber, dass der Rauswurf der Grünen für Demokratie, Parlament und Opposition in diesem Land ein Verlust ist. Damit hat man sich dann überraschend schnell abgefunden. Nur an den Geldproblemen der Grünen bestand noch Interesse.
Zweitens war seit gefühlten ewigen Zeiten von rechts ständig der Vorwurf erhoben worden, die Redaktionen dieses Landes seien allesamt mehrheitlich „links grün“. Warum hat man dann nicht den versammelten Grünen in Interviewserien medial Gelegenheit zur Schmerzbewältigung und zur Veröffentlichung von Therapieplänen gegeben?
Die Antwort lässt sich aus den Aussagen Koglers nun herauslesen. Sollten die Grünen mit ihm tatsächlich einer Meinung sein, dass nur der Konflikt mit den Jungen (noch unter Eva Glawischnig) und mit Peter Pilz die Ursachen für das Versagen bei der Nationalratswahl waren, sollten sie mit ihm einer Meinung sein, dass sich mit einer Radikalisierung der ökologischen Frage der Wahlerfolg wieder einstellen werde – dann wäre vielleicht ein Antrag auf politischen Konkurs die geeignete Vorgangsweise.
Denn das würde nämlich bedeuten, dass die Grünen im 30. Lebensjahr als Parlamentspartei an politischer Demenz leiden und nicht erkannt haben, dass das Fehlen einer zündenden Idee im Wahlkampf der eigentliche Grund war. Sie hätte auch das Chaos in der Führung wettgemacht. Sie waren mit Glawischnigs Rückzug, der Installierung einer verunglückten Doppelspitze von Spitzenkandidatin und Bundessprecherin in einer No-Win-Situation. So schwer war das nicht zu erkennen. Nachdem sie ihre Kernkompetenz der Korruptionsbekämpfung zusammen mit Peter Pilz entsorgt hatten, hätten sie mit Zuspitzungen in wenigstens einem anderen Bereich in den Wahlkampf ziehen müssen. Vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Erfahrung wäre das zu erwarten gewesen.
Oder auch nicht. Denn Kogler meint nun in einem „Presse“-Interview, der Wiedereinzug in den Nationalrat „kann nicht das alleinige politische Ziel sein“. Weiß der Mann mit fast 20 Jahren Parlamentserfahrung noch, was er da spricht, oder leidet er an PTBS – also an einer posttraumatischen Belastungsstörung seit dem 15. Oktober? Er will, dass man an den „Grünen nicht vorbeikommen kann, wenn es darum geht, die ganz großen Auseinandersetzungsfelder in der Politik zu bestreiten“.
Wie sollte das denn gehen? Wo, wenn nicht im Parlament? Wer wird die Grünen denn auf den ganz großen Feldern wahrnehmen? Wer wird ihnen zuhören oder unkonkrete Interviews abdrucken müssen?
Kogler sollte es eigentlich besser wissen. Der Rauswurf aus der Volksvertretung allein, eine vier- oder fünfjährige Zwangspause also, muss per se nicht das Ende einer Partei sein, wie der Wiedereinzug der FDP in Deutschland in den Bundestag nach vier Jahren beweist. Von der außerparlamentarischen Opposition an den Verhandlungstisch einer Regierung – auch das geht.
Allerdings ist das österreichische politische Biotop anders als das deutsche. Siehe LIF nach 1999. Wir haben nicht nur eine andere Rücktrittskultur, sondern auch eine andere Rückkehrkultur mangels Beständigkeit bei Personal und Wähler. Demokratiepolitisch ist das eine Schwäche.