Niessl für Ludwig als Häupl-Nachfolger
SPÖ. Mittlerweile seien alle in der Partei für Grenzkontrollen, sagt der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl. Warum er große Asylquartiere ablehnt und in welchen Fragen er ein Linker ist: ein Gespräch.
Wien. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) zeigt im „Presse“-Interview eine klare Tendenz bei der Wahl eines neuen Wiener-SPÖ-Chefs: Er spricht sich für Wohnbaustadtrat Michael Ludwig aus. Dem Rivalen, Parlamentsklub-Chef Andreas Schieder, spricht Niessl internationale Eignung zu.
Die Presse: Ist die Problem- und Fehleranalyse in der SPÖ mittlerweile abgeschlossen? Hans Niessl: Ich glaube schon. Die SPÖ muss jetzt als Oppositionspartei dort kritisieren, wo es notwendig ist. Und da liefert die neue Bundesregierung ja jede Menge Stoff.
Worauf spielen Sie an? Wenn man die Aktion 20.000, ein Förderprogramm für ältere Arbeitslose, abschafft, ist das ein Musterbeispiel für neoliberale Beschäftigungspolitik. Denn das trifft Menschen, die jahrzehntelang ins System eingezahlt haben. Ein Bauarbeiter, der einen Bandscheibenvorfall hat, kann seinen Beruf vielleicht nicht mehr ausüben. Diesen Leuten sollte man eigentlich helfen.
Es gab auch Kritik an der Aktion 20.000: dass Gemeinden künstlich Jobs schaffen würden, um die Förderungen zu kassieren. Mag sein, dass es das gegeben hat, aber man könnte ja klar definieren, wofür die Förderung gedacht ist. Ich bin überzeugt, dass man in Vereinen oder im öffentlichen Bereich sinnvolle Jobs schaffen kann. Ältere Arbeitslose könnten sich um pflegebedürftige Menschen kümmern, mit ihnen zum Arzt oder einkaufen gehen. Da wäre allen geholfen.
Muss sich die SPÖ inhaltlich neu ausrichten? Ich kann mich da nur wiederholen: Minderheitenthemen sind wichtig. Aber wenn die SPÖ Wahlen gewinnen will, wird sie vor allem jene Dinge ansprechen müssen, die die Mehrheit beschäftigen. Das haben wir nicht immer getan. Dabei wäre die Wahl zu gewinnen gewesen.
Hilft die neue Bundesregierung dabei, die zerstrittenen SPÖ-Flügel wieder zu einen? Die SPÖ-Flügel braucht man nicht mehr zu einen, weil mittlerweile alle das Gleiche denken: dass man keine unbegrenzte Zuwanderung haben will. Diese Diskussion hat sich erübrigt, in ganz Europa gibt es heute Grenzkontrollen.
Sind Sie sicher, dass sich die Diskussion auch innerhalb der Wiener SPÖ erübrigt hat? Ich war am Donnerstag auf der Ferienmesse in Wien, da sind Hunderte Leute zum Burgenland-Stand gekommen. Und ich habe dort niemanden getroffen, der nicht gesagt hätte: „Sie hatten damals recht.“
Die Wiener SPÖ wird in zwei Wochen einen Nachfolger für Michael Häupl bestimmen. Wer wäre aus Ihrer Sicht der bessere Bürgermeister, Michael Ludwig oder Andreas Schieder? Ich habe den Helmut Zilk persönlich gekannt, und ich kenne den Michael Häupl besonders gut. Beide waren über die Parteigrenzen hinweg anerkannt. Das Wahlver- halten hat sich verändert, deshalb ist es wichtig, dass an der Spitze jemand steht, der breite Bevölkerungsschichten abdeckt, indem er auch heikle Themen anspricht. Und da war mein Eindruck auf der Ferienmesse, dass das dem Michael Ludwig im großen Ausmaß von den Wienern zugestanden wird.
Welchem Kandidaten drücken Sie die Daumen? Ich halte den Andi Schieder für jemanden, der auch auf internationaler Ebene große Qualitäten hat.
Das heißt, Schieder soll nicht Bürgermeister werden und auch nicht Klubchef bleiben, sondern international eingesetzt werden? Das ist jetzt eine Überinterpretation. Ich glaube, dass ein Klubchef auch international denken muss.
Aber als Bürgermeister wäre Ihnen Ludwig lieber. Nach Zilk und Häupl sind viele der Meinung, dass Ludwig gut für die Sozialdemokratie wäre.
Was empfehlen Sie der SPÖ sonst noch? Die SPÖ muss ein Gegenmodell zur Regierung liefern. Alleinerzieher, die nur Teilzeit arbeiten können, haben nicht allzu viel vom 1500-Euro-Familienbonus. Das heißt, dass jene, die eigentlich unterstützt werden müssten, unter einer ÖVP-FPÖ-Regierung weniger bekommen. Auf der anderen Seite wird keine Initiative gesetzt, damit Großkonzerne ihre Steuern dort zahlen, wo sie Umsätze machen.
Muss die SPÖ wirtschaftspolitisch nach links rücken? Ich bin für einen starken Staat, vor allem in den Bereichen innere und soziale Sicherheit. Normalerweise bin ich kein Freund des alten Kastldenkens. Aber wenn es links ist, sich dafür einzusetzen, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter aufgeht, dann bin ich für eine linkere Politik.
Was sagen Sie zum Vorschlag von Innenminister Herbert Kickl, Asylwerber „konzentriert“in Grundversorgungszentren unterzubringen? Das Wort „konzentriert“ist belastet, damit kann ich nichts anfangen – wie auch mit dem Vorschlag selbst. Das Burgenland setzt mangels großer Städte ausschließlich auf kleine Einheiten, was auch viele Vorteile bei der Integration hat.
Was, wenn Kickl eine neue BundLänder-Vereinbarung will, die Großquartiere vorschreibt? Sie sagen es ja: eine Bund-LänderVereinbarung. Es müssen also auch die Länder dafür sein. Und ich gehe davon aus, dass der burgenländische kein Einzelstandpunkt ist. Ist die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen durch die türkisblaue Koalition im Bund schwieriger geworden? Das sehe ich überhaupt nicht. Wir unterscheiden zwischen Bund und Land. Es gab Kritik von der burgenländischen FPÖ an SPÖ-Ministern, und jetzt ist es eben umgekehrt.
In Eisenstadt heißt es, Sie könnten 2020 noch einmal antreten. Spielen Sie mit dem Gedanken? Wir haben eine klare Vorgangsweise: Hans Peter Doskozil wird auf meinen Vorschlag hin im Herbst für den Landesparteivorsitz kandidieren. Und die Versuche, uns auseinanderzudividieren, sorgen bei uns beiden für Schmunzeln.
Das ist soweit bekannt. Es wurde auch vereinbart, dass wir zirka ein Jahr vor der Landtagswahl bekannt geben, ob ich noch einmal kandidiere oder nicht.
Also nichts ausgeschlossen. Wir beschäftigen uns noch nicht mit Kandidaturen im Jahr 2020.
Was halten Sie vom neuen Bundesgeschäftsführer, Max Lercher? Er bringt frischen Wind in die SPÖZentrale, der aus den Ländern kommt. Insofern ist das eine gute Lösung. Und er ist voller Ideen.
Eine betrifft die Parteireform: Der Parteitag soll künftig auch über Themeninitiativen aus der Zivilgesellschaft abstimmen. Die Fragen sind: Wer? Zu welchen Themen? Und wie groß muss die Unterstützung sein? Aber grundsätzlich halte ich diesen Vorschlag für diskussionswürdig.