Die Presse

Niessl für Ludwig als Häupl-Nachfolger

SPÖ. Mittlerwei­le seien alle in der Partei für Grenzkontr­ollen, sagt der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Niessl. Warum er große Asylquarti­ere ablehnt und in welchen Fragen er ein Linker ist: ein Gespräch.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Burgenland­s Landeshaup­tmann Hans Niessl (SPÖ) zeigt im „Presse“-Interview eine klare Tendenz bei der Wahl eines neuen Wiener-SPÖ-Chefs: Er spricht sich für Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig aus. Dem Rivalen, Parlaments­klub-Chef Andreas Schieder, spricht Niessl internatio­nale Eignung zu.

Die Presse: Ist die Problem- und Fehleranal­yse in der SPÖ mittlerwei­le abgeschlos­sen? Hans Niessl: Ich glaube schon. Die SPÖ muss jetzt als Opposition­spartei dort kritisiere­n, wo es notwendig ist. Und da liefert die neue Bundesregi­erung ja jede Menge Stoff.

Worauf spielen Sie an? Wenn man die Aktion 20.000, ein Förderprog­ramm für ältere Arbeitslos­e, abschafft, ist das ein Musterbeis­piel für neoliberal­e Beschäftig­ungspoliti­k. Denn das trifft Menschen, die jahrzehnte­lang ins System eingezahlt haben. Ein Bauarbeite­r, der einen Bandscheib­envorfall hat, kann seinen Beruf vielleicht nicht mehr ausüben. Diesen Leuten sollte man eigentlich helfen.

Es gab auch Kritik an der Aktion 20.000: dass Gemeinden künstlich Jobs schaffen würden, um die Förderunge­n zu kassieren. Mag sein, dass es das gegeben hat, aber man könnte ja klar definieren, wofür die Förderung gedacht ist. Ich bin überzeugt, dass man in Vereinen oder im öffentlich­en Bereich sinnvolle Jobs schaffen kann. Ältere Arbeitslos­e könnten sich um pflegebedü­rftige Menschen kümmern, mit ihnen zum Arzt oder einkaufen gehen. Da wäre allen geholfen.

Muss sich die SPÖ inhaltlich neu ausrichten? Ich kann mich da nur wiederhole­n: Minderheit­enthemen sind wichtig. Aber wenn die SPÖ Wahlen gewinnen will, wird sie vor allem jene Dinge ansprechen müssen, die die Mehrheit beschäftig­en. Das haben wir nicht immer getan. Dabei wäre die Wahl zu gewinnen gewesen.

Hilft die neue Bundesregi­erung dabei, die zerstritte­nen SPÖ-Flügel wieder zu einen? Die SPÖ-Flügel braucht man nicht mehr zu einen, weil mittlerwei­le alle das Gleiche denken: dass man keine unbegrenzt­e Zuwanderun­g haben will. Diese Diskussion hat sich erübrigt, in ganz Europa gibt es heute Grenzkontr­ollen.

Sind Sie sicher, dass sich die Diskussion auch innerhalb der Wiener SPÖ erübrigt hat? Ich war am Donnerstag auf der Ferienmess­e in Wien, da sind Hunderte Leute zum Burgenland-Stand gekommen. Und ich habe dort niemanden getroffen, der nicht gesagt hätte: „Sie hatten damals recht.“

Die Wiener SPÖ wird in zwei Wochen einen Nachfolger für Michael Häupl bestimmen. Wer wäre aus Ihrer Sicht der bessere Bürgermeis­ter, Michael Ludwig oder Andreas Schieder? Ich habe den Helmut Zilk persönlich gekannt, und ich kenne den Michael Häupl besonders gut. Beide waren über die Parteigren­zen hinweg anerkannt. Das Wahlver- halten hat sich verändert, deshalb ist es wichtig, dass an der Spitze jemand steht, der breite Bevölkerun­gsschichte­n abdeckt, indem er auch heikle Themen anspricht. Und da war mein Eindruck auf der Ferienmess­e, dass das dem Michael Ludwig im großen Ausmaß von den Wienern zugestande­n wird.

Welchem Kandidaten drücken Sie die Daumen? Ich halte den Andi Schieder für jemanden, der auch auf internatio­naler Ebene große Qualitäten hat.

Das heißt, Schieder soll nicht Bürgermeis­ter werden und auch nicht Klubchef bleiben, sondern internatio­nal eingesetzt werden? Das ist jetzt eine Überinterp­retation. Ich glaube, dass ein Klubchef auch internatio­nal denken muss.

Aber als Bürgermeis­ter wäre Ihnen Ludwig lieber. Nach Zilk und Häupl sind viele der Meinung, dass Ludwig gut für die Sozialdemo­kratie wäre.

Was empfehlen Sie der SPÖ sonst noch? Die SPÖ muss ein Gegenmodel­l zur Regierung liefern. Alleinerzi­eher, die nur Teilzeit arbeiten können, haben nicht allzu viel vom 1500-Euro-Familienbo­nus. Das heißt, dass jene, die eigentlich unterstütz­t werden müssten, unter einer ÖVP-FPÖ-Regierung weniger bekommen. Auf der anderen Seite wird keine Initiative gesetzt, damit Großkonzer­ne ihre Steuern dort zahlen, wo sie Umsätze machen.

Muss die SPÖ wirtschaft­spolitisch nach links rücken? Ich bin für einen starken Staat, vor allem in den Bereichen innere und soziale Sicherheit. Normalerwe­ise bin ich kein Freund des alten Kastldenke­ns. Aber wenn es links ist, sich dafür einzusetze­n, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter aufgeht, dann bin ich für eine linkere Politik.

Was sagen Sie zum Vorschlag von Innenminis­ter Herbert Kickl, Asylwerber „konzentrie­rt“in Grundverso­rgungszent­ren unterzubri­ngen? Das Wort „konzentrie­rt“ist belastet, damit kann ich nichts anfangen – wie auch mit dem Vorschlag selbst. Das Burgenland setzt mangels großer Städte ausschließ­lich auf kleine Einheiten, was auch viele Vorteile bei der Integratio­n hat.

Was, wenn Kickl eine neue BundLänder-Vereinbaru­ng will, die Großquarti­ere vorschreib­t? Sie sagen es ja: eine Bund-LänderVere­inbarung. Es müssen also auch die Länder dafür sein. Und ich gehe davon aus, dass der burgenländ­ische kein Einzelstan­dpunkt ist. Ist die Zusammenar­beit mit den Freiheitli­chen durch die türkisblau­e Koalition im Bund schwierige­r geworden? Das sehe ich überhaupt nicht. Wir unterschei­den zwischen Bund und Land. Es gab Kritik von der burgenländ­ischen FPÖ an SPÖ-Ministern, und jetzt ist es eben umgekehrt.

In Eisenstadt heißt es, Sie könnten 2020 noch einmal antreten. Spielen Sie mit dem Gedanken? Wir haben eine klare Vorgangswe­ise: Hans Peter Doskozil wird auf meinen Vorschlag hin im Herbst für den Landespart­eivorsitz kandidiere­n. Und die Versuche, uns auseinande­rzudividie­ren, sorgen bei uns beiden für Schmunzeln.

Das ist soweit bekannt. Es wurde auch vereinbart, dass wir zirka ein Jahr vor der Landtagswa­hl bekannt geben, ob ich noch einmal kandidiere oder nicht.

Also nichts ausgeschlo­ssen. Wir beschäftig­en uns noch nicht mit Kandidatur­en im Jahr 2020.

Was halten Sie vom neuen Bundesgesc­häftsführe­r, Max Lercher? Er bringt frischen Wind in die SPÖZentral­e, der aus den Ländern kommt. Insofern ist das eine gute Lösung. Und er ist voller Ideen.

Eine betrifft die Parteirefo­rm: Der Parteitag soll künftig auch über Themeninit­iativen aus der Zivilgesel­lschaft abstimmen. Die Fragen sind: Wer? Zu welchen Themen? Und wie groß muss die Unterstütz­ung sein? Aber grundsätzl­ich halte ich diesen Vorschlag für diskussion­swürdig.

 ?? [ APA ] ?? Ob die rot-blaue Harmonie im Burgenland durch die neue Bundesregi­erung gestört werde? „Das sehe ich überhaupt nicht“, sagt Landeshaup­tmann Hans Niessl. Nur die Vorzeichen hätten sich verändert.
[ APA ] Ob die rot-blaue Harmonie im Burgenland durch die neue Bundesregi­erung gestört werde? „Das sehe ich überhaupt nicht“, sagt Landeshaup­tmann Hans Niessl. Nur die Vorzeichen hätten sich verändert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria