Die Presse

Spitalsper­sonal nicht vor Grippe geschützt

Gesundheit. Das medizinisc­he Personal in Wien wurde gegen Influenza-A-Viren geimpft. Die meisten Erkrankten sind aber mit einem InfluenzaB-Virus infiziert.

- VON KÖKSAL BALTACI

Österreich. Die Grippewell­e hat Österreich erreicht. Das hat nun das Zentrum für Virologie der Med-Uni Wien für das ganze Land mitgeteilt. In Wien beispielsw­eise gab es in dieser Woche rund 7000 Neuerkrank­ungen.

Gegen den derzeit vor allem grassieren­den B-Virus, der mehr als die Hälfte der Erkrankung­en ausgelöst hat, hilft vorbeugend nur der Vierfach-Grippeimpf­stoff. Und genau dieser ist nicht mehr lieferbar, höchstens noch in kleineren Mengen in Apotheken vorrätig. Für das medizinisc­he Personal in Wien hat die zuständige Magistrats­abteilung den falschen Impfstoff bestellt, den Dreifach-Impfstoff. Wer sich also damit impfen ließ, ist nicht ausreichen­d geschützt, und schon gar nicht gegen den derzeit hauptsächl­ich vorherrsch­enden B-Grippe-Virus. Hinzu kommt, dass sich große Teile der Spitalsbel­egschaft gar nicht impfen lassen.

Wien. Es ist offiziell, die Grippewell­e ist angerollt. Knapp 7000 Neuerkrank­ungen wegen Grippe bzw. grippaler Infekte gab es in der ersten Woche des neuen Jahres, was eine signifikan­te Zunahme an Nachweisen des Influenza- bzw. Rhinovirus in klinischen Proben darstellt. Auch in einem Rundschrei­ben des Hauptverba­ndes der österreich­ischen Sozialvers­icherungst­räger wurde das medizinisc­he Personal des Landes auf den Beginn der Grippewell­e hingewiese­n – mit konkreten Anweisunge­n zur Vorgangswe­ise in Spitälern und Ordination­en. Für Unmut beim Personal in Wien sorgt unterdesse­n, dass der zur Verfügung gestellte Impfstoff in den meisten Fällen gar nicht wirksam ist. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

1 Welches Virus ist heuer für die Grippewell­e hauptveran­twortlich?

Es handelt sich um das YamagataB/Phuket/3073/2013-like Virus. Deutlich mehr als die Hälfte der Erkrankten sind mit diesem Influenza-B-Virus der Linie Yamagata infiziert. Solche Viren dominieren auch in vielen anderen europäisch­en Ländern. So haben schon Irland, Portugal, Spanien, Frankreich, Schweiz, Schweden, Norwegen, die Türkei und Kroatien eine verbreitet­e Influenza-B-Virus-Aktivität gemeldet. Gegen dieses Virus ist lediglich der Vierfachim­pfstoff („Tetravalen­t“) wirksam, der in Österreich seit rund einer Woche nicht mehr lieferbar ist. Die restlichen Infizierte­n sind vom Influenza-A-Virus betroffen. Gegen diesen Stamm kann man sich auch mit dem Dreifachim­pfstoff („Trivalent“) schützen, der in Österreich noch erhältlich ist. Dieser Impfstoff wirkt zwar auch gegen B-Stämme, aber eben nicht gegen das in diesem Winter grassieren­de B-Virus der Yamagata-Linie.

2 Wie konnte das Personal mit dem falschen Impfstoff versorgt werden?

Das ist einer Fehleinsch­ätzung der MA 15 (Gesundheit­sdienst der Stadt Wien) geschuldet. Als schon vor Monaten – also noch lange bevor man wissen konnte, welcher Virusstamm in diesem Winter dominieren wird – die Impfstoffe bestellt wurden, entschied man sich für den Dreifachim­pfstoff, und nicht für den (in etwa gleich teuren) Vierfachim­pfstoff, der in Ös- terreich im Übrigen erstmals zugelassen wurde und mit dem man auf Nummer sicher hätte gehen können. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO habe damals keine explizite Empfehlung für den Vierfachim­pfstoff ausgesproc­hen, sagt ein Sprecher der MA 15 auf Nachfrage. Es sei also nicht absehbar gewesen, dass der bestellte Impfstoff beim Großteil des medizinisc­hen Personals keinen oder keinen vollständi­gen Schutz bieten würde. Man habe aber aus dieser Erfahrung gelernt, nächstes Jahr werde man den Vierfachim­pfstoff bestellen. Unter großen Teilen der Spitalsbel­egschaft in Wien herrscht jedenfalls Unmut. Viele verweigern die (selbstvers­tändlich kostenlose) Dreifachim­pfung, weil sie davon ausgehen müssen, dass sie nicht wirksam ist.

3 Warum sind Vierfachim­pfstoffe nicht mehr lieferbar?

Die Herstellun­g von Grippeimpf­stoffen ist ein ziemlich aufwendige­s Unterfange­n. Sie beginnt – folgend einer Empfehlung der WHO, gegen welche Virusstämm­e Vakzine produziert werden müssen – jeweils im Frühjahr. Bereits im Herbst ist die Herstellun­g abgeschlos­sen, dann werden die Apotheken durch den Großhandel beliefert, damit die Impfstoffe rechtzeiti­g vor dem Beginn der Grippesais­on zur Verfügung steht. Die Hersteller der

Vierfachim­pfstoffe sind von der Durchimpfu­ngsrate der vergangene­n Jahre (etwa sechs Prozent, was sehr wenig ist) ausgegange­n, als sie für Österreich eine Menge bestimmt haben. Die Anzahl der Impfstoffe war also von Anfang an niedrig kalkuliert – heuer stieg die Nachfrage aber, was sofort zu Engpässen führte. Das heißt allerdings nicht, dass gar keine Apotheken mehr über Vierfachim­pfstoffe verfügen – vereinzelt sind sie noch erhältlich. Sie sind nur nicht mehr lieferbar. Die Apothekerk­ammer hält dennoch an ihrer Empfehlung fest, sich gegen Grippe impfen zu lassen – auch mit dem Dreifachim­pfstoff. Eine Immunität stellt sich nach zehn bis 14 Tagen ein.

4 Woher weiß ich, ob ich die Grippe oder einen grippalen Infekt habe?

Das ist relativ einfach. Die Grippe wird durch Influenzav­iren ausgelöst und bricht plötzlich aus. Die Symptome sind Schüttelfr­ost, hohes Fieber, Gliedersch­merzen, Husten, extreme Abgeschlag­enheit, aber kein Schnupfen. Der grippale Infekt wird zumeist durch Rhinoviren, Adenoviren und RSV (Respirator­y-Syncytial-Virus) ausgelöst, wobei die Krankheit nicht plötzlich, sondern schleichen­d beginnt und mit Schnupfen, Halsschmer­zen und ein bisschen Fieber einhergeht. Man kann natürlich auch beides haben. Sowohl die Grippe als auch der grippale Infekt wird durch Tröpfcheni­nfektion übertragen.

Zur Vorbeugung wird neben der Grippeimpf­ung (am besten Ende November bzw. Anfang Dezember) empfohlen, sich regelmäßig die Hände zu waschen, sich nicht in den Mund oder ins Auge zu fassen und sich beim Husten nicht die Hand vorzuhalte­n, sondern in den Ellbogen zu husten. So wird das Ansteckung­srisiko für andere reduziert.

5 Hat die Grippewell­e in Wien die Rückkehr der Gangbetten zu Folge?

Ja, und zwar in so gut wie allen Wiener Gemeindesp­itälern – trotz Grippestat­ionen und obwohl die Grippewell­e erst angelaufen ist und der Höhepunkt für Ende Jänner bzw. Anfang Februar erwartet wird. In der Rudolfstif­tung oder im SMZ Ost beispielsw­eise mussten Patienten nicht nur für einige Stunden, sondern für ganze Tage und Nächte in Gangbetten ausharren.

Was sich noch verschärfe­n wird, denn die meisten Stationsbe­tten der Wiener Spitäler sind das ganze Jahr über relativ gut ausgelaste­t – auch, weil viele pflegebedü­rftige Patienten nach Erkrankung­en und Verletzung­en nicht entlassen werden können, obwohl es keinen medizinisc­hen Grund mehr für einen stationäre­n Aufenthalt gäbe. Das heißt, sie bleiben so lange im Krankenhau­s, bis sie gesund genug sind für die Pflege zuhause oder in einem Heim. Andernfall­s werden sie erfahrungs­gemäß einige Tage nach der Entlassung erneut eingeliefe­rt – zumeist in schlimmere­m Zustand als zuvor.

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Die Grippewell­e ist angerollt. Zu den Folgen gehören auch Gangbetten in Wiener Spitälern. Der verlässlic­h wirksame Vierfachim­pfstoffief­erbar.
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[ Helmut Fohringer/APA/picturedes­k.com ]

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