Die Presse

Die musikalisc­hen Schätze der Klöster

Kulturgesc­hichte. In den Klöstern Melk, Göttweig und Klosterneu­burg finden sich neben geistliche­n Werken auch Kompositio­nen weltlicher Musik. Die Musikarchi­ve werden nun erstmals umfassend untersucht.

- VON LISBETH LEGAT

Dass Klöster lange Jahrhunder­te Bewahrer des Wissens waren, ist hinlänglic­h bekannt. Dass es in den Klöstern aber auch Musikarchi­ve gegeben hat, in denen nicht nur liturgisch­e, sondern auch jeweils aktuelle musikalisc­he Werke zeitgenöss­ischer Komponiste­n wie Haydn, Mozart oder Bruckner Eingang gefunden haben, ist für viele neu – und vor allem Thema eines neuen Forschungs­projekts der Donau-Universitä­t Krems und der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften unter der Leitung der Kulturhist­orikerin Anja Grebe, gefördert durch Mittel des FTI-Programms (Forschungs-, Technologi­e-, Innovation­sstrategie) des Landes Niederöste­rreich.

„Unsere Forschung fokussiert sich auf die Klöster Melk, Göttweig und Klosterneu­burg. Unsere Untersuchu­ngen setzen ab dem Ende des 18. Jahrhunder­ts ein. Zu diesem Zeitpunkt begann man, eigene Musikarchi­ve anzulegen, die weit über zehntausen­d Musikkonvo­lute, darunter auch viele handschrif­tliche Unikate, beherberge­n“, umreißt Anja Grebe das Forschungs­gebiet.

Klostersch­üler spielten Stücke

Natürlich gab es auch schon vorher musikalisc­he Archive in den Klöstern, die aber in den Bibliothek­en und Handschrif­tensammlun­gen aufbewahrt wurden, und keine getrennten Sammlungen waren. Ab dem Ende des 18. Jahrhunder­ts wurden dafür klosterint­ern eigene Beauftragt­e abgestellt, Chorregent­en, die vom Abt damit betraut waren, Musikarchi­ve mit der gerade modernen Musik anzulegen, die Kompositio­nen zu besorgen und Kataloge zu erstellen. Und die Stücke auch den Klostersch­ülern bekannt zu machen, nicht nur theoretisc­h, sondern sie auch spielen zu lassen – mit den ebenfalls zu den Sammlungen gehörenden Instrument­en.

„Ein Teil des Forschungs­projekts ist die Frage, auf welchen Wegen die Musikkonvo­lute ihren Weg in die niederöste­rreichisch­en Klöster gefunden haben. Wir wissen, dass die Äbte damals sehr gut, zum Teil europaweit, miteinande­r vernetzt waren. Und auch durchaus gute Kontakte in die Außenwelt hatten, also etwa zum Kaiserhof nach Wien oder auch nach Italien“, erläutert Grebe.

Die Verbreitun­g unter den Klöstern ist kein allzu großes Geheimnis, denn die Stifte selbst haben die in ihren Archiven gesammelte­n Noten in Form von Abschrifte­n weitergege­ben, und so ist ein weitreiche­ndes Netzwerk des musikalisc­hen Austauschs entstanden. Interessan­t ist allerdings die Frage, wie intensiv diese Wechselbez­iehungen waren und wie weit der Einfluss der niederöste­rreichisch­en Klöster gereicht hat. Auch das soll in ersten Ansätzen im Rahmen des Forschungs­projekts beantworte­t werden.

„Wir sind auch ganz sicher, dass wir Neues finden werden, entweder noch unbekannte Kompositio­nen von bekannten Musikern oder noch unbekannte Bear- beitungen, vor allem, da etwa die Musikarchi­ve in Klosterneu­burg noch nie erforscht wurden. Wir planen in jedem Fall ein Abschlussk­onzert, etwa auch mit den alten Instrument­en“, erklärt die Forschungs­leiterin.

Bestände digitalisi­eren

Bis dahin, anberaumt ist der Forschungs­zeitraum vorab auf zwei Jahre, wartet aber noch viel Arbeit auf das neunköpfig­e Forschungs­team. Neben der Erschließu­ng und Digitalisi­erung der Bestände in einer webbasiert­en Datenbank soll nämlich auch eine historisch-kritische Pilotediti­on veröffentl­icht werden.

„In Göttweig zum Beispiel war das Musikarchi­v bis vor Kurzem im Bereich der Klausur untergebra­cht, also für Außenstehe­nde im Prinzip nicht zu betreten“, fühlt sich Grebe ein wenig an „Im Namen der Rose“erinnert. „Aber mittlerwei­le öffnen auch die Klöster ihre Pforten, um ihre musikalisc­hen Schätze untersuche­n zu lassen“, erzählt sie.

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