Die Presse

Wenn das eigene Herz nicht mehr richtig schlägt

Durch eine neue Form der Organspend­e und moderne Technologi­en soll dieses Jahr die Zahl der Transplant­ationen steigen.

- VON JANA MEIXNER

Die Transplant­ationsmedi­zin befindet sich im Wandel. Zu viele Menschen brauchen ein neues Organ, zu wenige kommen als Spender infrage. Wurden Organe bisher nur von Patienten entnommen, bei denen bereits der Hirntod eingetrete­n war, setzen sich Transplant­ationsmedi­ziner weltweit vermehrt für die sogenannte DCD-Spende (engl. donation after circulator­y death) ein, der Organspend­e nach dem Herzstills­tand.

Diese betrifft Patienten, die zwar nicht hirntot sind, deren Kreislauf aber nur noch künstlich aufrechter­halten werden kann, ohne Aussicht auf Besserung. In diesen Fällen können die behandelnd­en Intensivme­diziner gemeinsam mit den Angehörige­n entscheide­n, die lebenserha­ltenden Maßnahmen einzustell­en. Ist diese Entscheidu­ng getroffen, kann eine DCD-Spende erwogen werden. Dabei lassen die Ärzte den Kreislauf unter kontrollie­rten Bedingunge­n und meist im Beisein der Angehörige­n zum Stillstand kommen. Anschließe­nd wird abgewartet, bis der Hirntod eintritt, danach können Organe entnommen werden.

Andreas Zuckermann ist Professor für Herzchirur­gie an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien und Präsident der Österreich­ischen Transplant­ationsgese­llschaft. Er will heuer die ersten DCD-Herzen im Wiener AKH transplant­ieren und sieht große Chancen in der neuen Methode.

Lange Transportw­ege möglich

Optimal ergänzt wird die DCDSpende durch moderne Technik: ein relativ neues Gerät, das sogenannte Organ Care System (OCS), kann das Herz in der Zeit, in der es sich außerhalb des Körpers befindet, ausreichen­d mit Sauerstoff versorgen. Wird das entnommene Organ durchblute­t, beginnt es selbststän­dig zu schlagen. Während den Ärzten aufgrund des Sauerstoff­mangels eines nicht durchblute­ten Herzens normalerwe­ise nur drei bis vier Stunden Zeit bleibt, um das Organ zu verpflanze­n, ermöglicht das Gerät lange Transportw­ege.

Gleichzeit­ig kann auch überprüft werden, wie gut das Herz arbeitet und seine Funktion nachträgli­ch verbessert werden. Im AKH ist derzeit ein solches Organ Care System in Verwendung, die Kosten sind mit rund 30.000 Euro pro Einsatz hoch. „Herzen, die wir uns normalerwe­ise nicht zu verwenden trauen, können damit aber brauchbar gemacht werden“, betont Andreas Zuckermann. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, durch gute Ergebnisse aufzuzeige­n, dass sich die Kosten durchaus lohnen.“

Die Organfunkt­ion erhalten

An der Med-Uni Wien hat sich deshalb eine Forschergr­uppe etabliert, die an Möglichkei­ten arbeitet, die Funktion der Organe über den Tod des Spenders hinaus bestmöglic­h zu erhalten. Durch das OCS könnte es sogar möglich sein, Schäden wie verkalkte Koronarart­erien nach der Organentna­hme zu reparieren. Von besonderem Interesse ist für die Mediziner auch die sogenannte warme Ischämieze­it, die Zeitspanne zwischen Herzstills­tand und Entnahme aus dem Körper, und wie man das Herz in dieser Zeit am besten schützen kann.

Strenge Kriterien und Richtlinie­n, wie auch der Hirntod als bisherige Voraussetz­ung für Organspend­e, sollen moralische Dilemmata vermeiden. Obwohl in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern viel transplant­iert wird, wächst jedoch das Missverhäl­tnis zwischen Bedarf und Angebot. Immer wieder versterben Menschen, während sie auf ein neues Herz warten.

Ein neues Spenderpro­fil

Der Grund dafür nimmt sich makaber aus: Waren in früherer Zeit die typischen Organspend­er junge, gesunde Unfallopfe­r, hat sich das Spenderpro­fil gewandelt. Durch höhere Sicherheit im Straßenver­kehr etwa sind es nun meist Patienten mittleren Alters, die an Hirnblutun­g oder Schlaganfa­ll versterben und deren Herzen meist durch Bluthochdr­uck vorgeschäd­igt sind. Viele müssen abgelehnt werden. „Die Länge der Warteliste hat die Zahl der Angebote inzwischen weit überholt“, so Zuckermann. Die derzeit herrschend­en strengen Richtlinie­n bei der Auswahl infrage kommender Organspend­er könne man sich angesichts der langen Warteliste­n eigentlich nicht mehr leisten.

Durch die neue Form der Organspend­e in Verbindung mit der Technologi­e des OCS werden aber laut Andreas Zuckermann in Österreich in Zukunft mehr Herzen erfolgreic­h transplant­iert werden können.

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