Die Vorfahren der Inka und ihre Götter
Bolivien. Die Ruinenstätte Tiahuanaco in der Nähe des Titicacasees wirft unbeantwortete Fragen auf. Menschen aus der ganzen Welt kommen auf den Altiplano, um Rätseln nachzuhängen.
Das Sammeltaxi quält sich weiter und weiter bergauf. Vorbeiziehende Nebelschwaden versperren immer wieder den Blick auf die umliegenden, schneebedeckten Bergketten. Wenn sich der Nebel lichtet, ist das Panorama spektakulär. In der Hauptstadt, La Paz, auf 3600 Metern haben die Sonnenstrahlen noch erahnen lassen, welche Kraft sie zur Mittagszeit entfalten werden. Auf dem La-Cumbre-Pass sorgen der Nebel und die schwarzen Felsen für eine gespenstische Atmosphäre. Die dünne Morgenluft ist erfrischend, fast beißend kalt. Der höchste Punkt der Strecke liegt auf 4670 Metern. Dann geht es bergab. Mit jedem Kilometer wird es wärmer. Die Sonne hat sich längst durchgesetzt, die Luftfeuchtigkeit steigt. Die Vegetation wird üppiger und dichter. Links geht es steil die grüne Böschung hinauf, rechts fast senkrecht hinunter. Aus mindestens einem Handy im Minivan, in den die Mitfahrenden wie Sardinen in eine Dose hineingequetscht werden, schallt US-amerikanische Rapmusik. Nach etwa 80 Kilometern und der Durchquerung fast aller Klimazonen Boliviens erreicht das Sammeltaxi Coroico in den Yungas.
Die Yungas sind die Übergangsregion zwischen den Anden und dem tropischen Tiefland. Coroico liegt auf rund 1700 Metern ausgesetzt auf einem Bergrücken mit Blick auf vier schmale Täler. Die einzige ebene Fläche scheint der malerische koloniale Hauptplatz zu sein. An den Wochenenden ist der Ort aufgrund seines angenehmen Klimas beliebter Erholungsort der „Pacen˜os“, wie die Einwohner von La Paz genannt werden. Coroico bietet sich sowohl dafür an, die Beine auszustrecken, sich auszuruhen und das frische Obst der Yungas zu genießen, als auch als Ausgangspunkt für diverse leichte Wanderungen. Immer wieder kehren Touristen erschöpft um, weil ihnen die Luft ausgeht, die Beine schwer werden oder Gewitterwolken bedrohlich rasch näherkommen, die dann doch wieder in eine andere Richtung abziehen, ohne sich zu entladen.
Spirituelle Sinnsuche
Viele von ihnen verneinen die Frage, ob sie vorher den Apu, den Berg beziehungsweise seinen Geist, um Erlaubnis gefragt haben. So verlangt es nämlich die andine Gepflogenheit, die von Ausländern gern als Aberglaube abgetan wird.
Die andine Kosmovision mit den Relikten vergangener Kulturen zieht Menschen aus vielen Ländern an berühmte Orte des vom Massentourismus noch weitgehend verschont gebliebenen Landes – ebenso wie spirituelle Sinnsuchende, die ganz gezielt heilige Stätten aufsuchen. Bolivien gehört nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt mit einer starken Ungleichverteilung des Besitzes. Noch immer leben geschätzte 45 Prozent unter der Armutsgrenze. Doch das Land ist neben den weltgrößten Lithiumvorkommen reich an vielen Gemüse- und Obstsorten, unterschiedlichen Klimazonen, entsprechend vielseitiger Landschaft und kultureller Besonderheiten.
Autos kommen aufs Floß
La Paz eignet sich als gute Basis, um von hier ein- oder mehrtägige Ausflüge zu unternehmen. Von der Estacion´ Central fahren stündlich Busse nach Copacabana, dem bolivianischen Wallfahrtsort am Titicacasee. Der Titicacasee ist der größte Süßwassersee Südamerikas. Das Wasser ist zu kalt zum Schwimmen – und zu verschmutzt, was man ihm aber nicht ansieht. Copacabana befindet sich nur wenige Kilometer von der peruanischen Grenze entfernt auf einer Halbinsel, die auf dem Landweg nur von Peru aus zu erreichen ist. Von La Paz kommend müssen die Fahrgäste aussteigen, um ans andere Ufer zu gelangen. Die Fahrzeuge kommen auf ein großes Floß, die Menschen in kleine Boote. Je nach Verkehrsaufkommen kann es bis zu einer Stunde dauern, bis man wieder im Bus sitzt. Die verbleibenden Kilometer nach Copacabana bietet sich ein beeindruckender Blick aus dem Busfenster auf den See.
Wer an den Tagen rund um Hauptfeiertage wie Ostern oder die Wintersonnwende im Juni nach Copacabana kommt, den erschlagen die Menschenmassen. Herber- gen, Touranbieter, Restaurants, Cafes´ mit WLAN und Marktstände, an denen Instrumente, bunte Pullover, Schmuck und anderer Kleinkram angeboten werden, reihen sich nebeneinander. In dem Getümmel an ausländischen und meist farbenfroh gekleideten bolivianischen Besuchern in den richtigen Kleinbus oder das richtige Bootstaxi einzusteigen kann eine Herausforderung darstellen.
Eines der Boote fährt nach Challapampa, das sich etwa auf halber Höhe der Isla del Sol (Sonneninsel) befindet. Auf der gesamten Insel gibt es keine Autos. Die