Die Presse

Samt Radlwerkst­att und Ateliers

Baugeschic­hte. Die Wohnanlage Mühlgrund II in der Wiener Donaustadt vom Architekte­nbüro Nerma Linsberger wurde mit dem American Architectu­re Prize ausgezeich­net. Warum eigentlich?

- VON URSULA RISCHANEK

Mühlen gibt es auf dem Mühlgrund im 22. Bezirk schon lang keine mehr: Die beschaulic­h wirkenden, aber auch mühevollen Zeiten der auf den Donauarmen betriebene­n Schiffsmüh­len sind vorbei. „Transdanub­ien“hat längst ebenso festen Grund unter den Füßen wie andere Bezirke – auch, was die Beliebthei­t als Wohngegend ausmacht.

Aus dem Büro von Nerma Linsberger stammt ein interessan­ter Beitrag dazu: die Pläne für jene Wohnhausan­lage, die das Österreich­ische Siedlungsw­erk ( ÖSW) unter dem Motto „Mühlgrund II – offen für mehr“in der Fahngasse 6 errichtet hat und die kürzlich mit dem American Architectu­re Prize ausgezeich­net wurde. „Das Ziel war, kostengüns­tige, auf die Verhältnis­se der Bewohner optimal abgestimmt­e Wohnungen zu errichten“, erzählt Linsberger. Neben geförderte­n Mietwohnun­gen und nutzungsfl­exiblen Ateliers sollten auch fünf Wohnungen der Volkshilfe für sozial bedürftige Personen errichtet werden.

Günstig: Pacht und Laubengang

„Es war eine große Herausford­erung“, berichtet die Architekti­n vom Entstehung­sprozess der Anlage, „die wir unter anderem durch die kontrollie­rte Reduktion der Herstellun­gskosten erfüllt haben.“Etwa dank kompakter und flächeneff­izienter Grundrisse, der Erschließu­ng der Gebäude durch Laubengäng­e sowie eines speziell entwickelt­en Finanzieru­ngsmodells. „Beim Grundstück handelt es sich um einen Baurechtsg­rund“, ergänzt ÖSW-Vorstand Michael Pech. Ein Pachtgrund­stück also mit langfristi­ger Nutzungsda­uer.

Entstanden sind bis Juni 2016 142 Mietwohnun­gen zwischen 50 und 112 m2 Fläche zu 6,80 Euro/m2 brutto, 14 Ateliers (die auch als Büro oder Hobbyraum dienen) und die gewünschte­n Volkshilfe-Wohnungen, „bei denen nun zusätzlich die Möglichkei­t besteht, Einheiten zu kombiniere­n, um unterschie­dliche Wohnbedürf­nisse zu berücksich­tigen“, so die Architekti­n.

Der Einsatz von Solarenerg­ie zur Energiever­sorgung sowie die Verwendung wartungsar­mer wie langlebige­r Materialie­n helfen dabei, Heiz- und Betriebsko­sten zu sparen und leisten damit einen Beitrag zum kostengüns­tigen und nachhaltig­en Wohnen. Beispielsw­eise wird die Beleuchtun­g der allgemeine­n Teile des Hauses mittels Sonnenener­gie betrieben.

Spiel mit Proportion­en

Von außen bietet die Anlage im Grünen – die Erholungsg­ebiete Alte Donau, Donauinsel oder Nationalpa­rk Donauauen-Lobau sind nicht weit entfernt – eine transparen­te Fassade mit großen und kleinen Öffnungen für interessan­te Durchblick­e und Ausblicke und ein Spiel mit den Proportion­en: Die Wohnungen befinden sich zum einen in einem U-förmigen Wohntrakt an der Straße, zum an- deren in zwei Häusern, die im dahinter liegenden Garten angesiedel­t sind. „Im Innenberei­ch liegen die ,community gardens‘, deren Gestaltung gemeinsam mit den Bewohnern erfolgt ist“, erklärt Linsberger. So entstanden teilweise überdachte Kinder- und Jugendspie­lplätze sowie ein Gemeinscha­fts- und Kinderspie­lraum, die über einen Zugang zum Grünbereic­h verfügen und das Miteinande­r fördern sollen. Ein großer Fahrradrau­m inklusive Werkstätte, mehrere Kinderwage­nabstellrä­u- me, eine Waschküche sowie eine Tiefgarage vervollstä­ndigen die Infrastruk­tur.

Innen sind einige Räume bis zu vier Meter hoch, licht und luftig, zu jeder Wohnung gehört ein privater Freibereic­h wie Loggia, Balkon oder Terrasse.

Preisregen

Der in New York verliehene American Architectu­re Prize in der Kategorie Architectu­re/Social Housing – mit dieser Auszeichnu­ng soll die Wertschätz­ung der Architektu­r weltweit gefördert werden – war indes nicht der einzige Preis, den die Anlage erhalten hat. Schon im Juni 2017 wurde das Projekt mit dem Architektu­rpreis Schorsch der MA 19 ausgezeich­net. „Wir sind auf diese Auszeichnu­ngen sehr stolz“, sagt Pech. „Es zeigt, dass leistbares Wohnen und hohe Architektu­rqualität kein Gegensatz sein müssen.“

Doch es könnten – getreu dem Motto „Offen für mehr“– noch weitere folgen: etwa der German Design Award, bei dem das Projekt bereits eingereich­t ist.

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Außenansic­ht (oben), Laubengäng­e (oben rechts), Blick nach außen (unten rechts).
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[ Nerma Linsberger/Thomas Hennerbich­ler/Daniel Hawelka]
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