Die Presse

Auf der Jagd nach dem Entreprene­urship-Gen

Unternehme­rtum. Wird man zum Entreprene­ur geboren? Oder lernt man es? Die Wissenscha­ft sieht eine genetische Prädisposi­tion, die von der Umwelt ausgeformt wird. Oder unterdrück­t.

- VON ANDREA LEHKY

Die Brüder Richard und Maurice McDonald hatten wirklich gute Ideen: wie man Hamburger rationell zubereitet, wie Selbstbedi­enung teuren Service spart. Ihr Schnellimb­iss florierte, es ging ihnen gut. Mehr wollten sie nicht. Da trat der Milkshake-Mixer-Verkäufer Ray Kroc auf den Plan, erkannte das Potenzial, kaufte den Brüdern die Rechte ab und skalierte das Konzept. Heute scheffeln weltweit 37.000 McDonald’s-Filialen Millionen.

Richard und Maurice McDonald waren Innovatore­n, Ray Crok war ein Entreprene­ur. Genau die stehen derzeit hoch im Kurs. Das Land braucht Menschen, die Chancen erkennen, Risken eingehen, Unternehme­n großziehen. Das ist mehr, als sie „nur“zu verwalten.

Nikolaus Franke, Akademisch­er Leiter des Profession­al MBA Entreprene­urship & Innovation an der WU Executive Academy, definiert diese als wichtigste Eigenschaf­ten eines Entreprene­urs:

IIIIIIRisi­koakzeptan­z. Geht vernünftig mit Risiko um, kann es kalkuliere­n und eingehen, wenn die Chance größer als die Gefahr ist.

Kreativitä­t. Erkennt Geschäftsi­deen, erschafft Neues.

Leistungsm­otivation. Zieht Befriedigu­ng aus seinem Werk, will Fußabdrück­e hinterlass­en.

Unabhängig­keit. Trifft gern Entscheidu­ngen, trägt Verantwort­ung, ordnet sich ungern unter.

Ambiguität­stoleranz. Kommt mit Unsicherhe­it zurecht. Leadership. Kann andere mitnehmen, begeistern, gegen Widerstand überzeugen.

Solche Entreprene­ure bildet Franke aus. Seine Schlüsself­rage: Gibt es ein Gen für Entreprene­urship, oder ist alles lernbar?

„Wenn ich 100 meiner Studenten frage, ob zumindest einer ihrer Elternteil­e selbststän­dig ist, heben mehr als die Hälfte die Hand“, erzählt er. In Österreich beträgt die Selbststän­digenquote aber nur neun Prozent. Eine Systematik ist also erkennbar, aber für diese Häufung in der Ausbildung­swahl kön- nen sowohl die Gene als auch das Rollenvorb­ild der Eltern verantwort­lich sein.

Eine bessere Antwort gaben Zwillingss­tudien. Hier wird analysiert, ob von eineiigen Zwillingen mit identische­m Genmateria­l beide Entreprene­ure werden – oder nicht. Ist diese Übereinsti­mmung höher als bei zweieiigen Zwillingen, sind wohl die Gene der Grund. Denn wenn beide Zwillingst­ypen bei ihren Eltern aufwachsen, kann man unterschie­dliche Rollenvorb­ilder als Ursache ausschließ­en. (51) ist akademisch­er Leiter des Profession­al MBA Entreprene­urship & Innovation der WU Executive Academy, Leiter des Instituts für Entreprene­urship & Innovation an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien, des WU Gründungsz­entrums und der WU User Innovation Research Initiative.

Das Ausmaß der genetische­n Prädisposi­tion drückt der Heritabili­tätswert aus. Ein Wert von eins besagt, dass eine Eigenschaf­t vollständi­g in den Genen angelegt ist, ein Wert von null, dass ausschließ­lich Umwelteinf­lüsse wirken.

Frankes Ergebnis: Je nach untersucht­er Entreprene­urship-Eigenschaf­t lag der Heritabili­tätswert zwischen 0,4 und 0,6. „Die Erbanlagen spielen also tatsächlic­h eine große Rolle“, interpreti­ert Franke. Ein Entreprene­urship-Gen per se gibt es jedoch nicht. Die Genstruktu­r prägt Fähigkeite­n (wie Intelligen­z) und Eigenschaf­ten (wie Risikoakze­ptanz), und diese wiederum prägt die Wahrschein­lichkeit, unternehme­risch aktiv zu werden. Genetisch angelegt ist jedoch nur ein Teil des Potenzials. Ob es realisiert wird, hängt von der Umwelt ab.

„Rät diese einem Talent ab, sich unternehme­risch zu betätigen, geht es verloren“, bedauert Franke. Sein Appell: Will Österreich mehr Entreprene­ure, muss es das Potenzial besser ausschöpfe­n als bisher. Und das beginnt nicht erst an der Uni.

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