Die Presse

Guter Freund und guter Widersache­r: Kurz bei Macron

Kurz bei Macron. Sein erster bilaterale­r Staatsbesu­ch führte den österreich­ischen Kanzler zum französisc­hen Staatspräs­identen: zwei europäisch­e Zukunftsho­ffnungen, zwei unterschie­dliche Zukunftsko­nzepte für Europa.

- VON RAINER NOWAK

Paris. Emmanuel Macron war einer der Ersten gewesen, der Sebastian Kurz nach der Nationalra­tswahl am 15. Oktober 2017 zum Wahlsieg gratuliert hatte. Am Freitag ließ Macron Kurz im Wagen vor dem Elysee-´Palast in Paris zwar etwas warten, die Begrüßung mit kleinen militärisc­hen Ehren fiel dann aber betont herzlich aus. Kein Wunder: Die beiden Staatschef­s haben viele Gemeinsamk­eiten – und einige Gegensätze. Beide ließen mit eigens gegründete­n Bewegungen und Quereinste­igern ihre Parteien hinter sich, beide pflegen einen neuen Politiksti­l, der Veränderun­g und Staatsrefo­rm suggeriert. Diesen Verspreche­n folgte in beiden Ländern die Mehrheit der Wähler. Das Vertrauen auf deren Umsetzung war und ist bisher vor allem in der medialen Überzeugun­gskraft der beiden Politiker zu finden, also vor allem in ihrer Kommunikat­ion.

Dass Kurz ausgerechn­et Paris und nicht etwa Berlin wählte, wo mit Angela Merkel die Chefin der Schwesterp­artei residiert, ist kein Zufall: Der Kanzler will den Aufbruch in ein neues Europa signalisie­ren. Positiv kommentier­ten beide Politiker, dass Merkel mit ihrer CDU und der CSU nun ernsthafte Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD starten kann. Macron meinte, er sei froh über die positiven Nachrichte­n aus Deutschlan­d. Kurz meinte, er hoffe auf eine zügige Regierungs­bildung.

Dass sich die EU massiv verändern muss, steht für beide Politiker fest. Nur die Nuancen klangen bei ihrer gemeinsame­n Pressekonf­erenz dann doch anders. Macron fordert, wie er es bereits im vergangene­n Jahr unter großem Applaus an der Sorbonne in einer viel beachteten Rede formuliert­e, eine Vertiefung der EU, eine Harmonisie­rung von zentralen Kompetenze­n wie in der Finanzpoli­tik und weniger national-

staatliche Entscheidu­ngsgewalt. Kurz hingegen forciert die Subsidiari­tät der Mitgliedst­aaten und will einen Rückzug Brüssels aus so mancher reglementa­rischen Zuständigk­eit. Von einem gemeinsame­n europäisch­en Finanzmini­ster hält er wenig, von einer gemeinsame­n EU-Verteidigu­ngspolitik schon mehr, am meisten von einem EU-weiten Vorgehen beim Grenzschut­z und dem Plan, Internetri­esen wie Facebook und Google in Europa höher zu besteuern.

Eine unterschie­dliche Wortwahl kennzeichn­ete auch das zentrale EU-Thema Brexit. Während Kurz sich festlegte, dass bei einer Verkleiner­ung der EU durch den Austritt der Briten auch der Beamtenapp­arat und damit das Budget der Union schrumpfen müsste, sprach Macron von einer roten Linie bei einem „Weniger“an Union. Nichtsdest­oweniger könnten Strukturen verbessert werden. Auf eine konkrete Summe – wie etwa die fehlenden 14 Milliarden durch den Brexit – wollte sich Macron nicht festlegen.

Österreich­s EU-Vorsitz war bei dem Vieraugeng­espräch ebenfalls Thema. Macron hält nach wie vor an seinem Plan fest, in Abstimmung­en in den Mitgliedst­aaten – in sogenannte­n Konventen – die künftige Entwicklun­g und den Ausbau der EU von der Bevölkerun­g mitbestimm­en zu lassen.

Zurückhalt­ung gegenüber FPÖ

18 Jahre nach dem Beschluss der Sanktionen gegen das damals schwarz-blaue Österreich unter maßgeblich­er Führung Frankreich­s fiel die Reaktion auf die neue Regierung mit FPÖ-Beteiligun­g diesmal zurückhalt­end aus. Macron meinte, dass es gute Tradition sei, die Wahlausgän­ge anderer Staaten in Europa nicht zu kommentier­en. Er, Macron, werde immer gegen rechtsextr­eme Parteien argumentie­ren. Wenn sie aber einmal gewählt seien und ohne sie eine Regierung nicht möglich sei, müsse man dies akzeptiere­n und wachsam sein. Kurz sagte dazu nur so viel: In Österreich gebe es kein Mehrheitsw­ahlrecht, also brauche er einen Koalitions­partner für die Regierung. Und diese sei auf jeden Fall proeuropäi­sch. Was Macron mit einem Nicken quittierte.

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Eine entspannte Stimmung herrschte beim Staatsbesu­ch, der Kanzler Sebastian Kurz zum französisc­hen Präside anuel Macron, nach Paris führte.
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[ Reuters ]

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