Die Presse

Was ich lese

- SUSANA ZAPKE Prorektori­n der Musik und Kunst Privatuniv­ersität der Stadt Wien

Lesen ist bei mir fast schon eine polyfone Angelegenh­eit. Es liegen mehrere Bücherstap­el auf mehreren Tischen (Schreib-, Nacht-, Büro-) bereit. Große Teile der Bestände wechseln im Rhythmus der Zeit und je nach thematisch­er Ausrichtun­g. Andere bleiben als Grundton liegen.

Letztere sind die referenzie­llen Lektüren, die man immer in seiner Nähe haben möchte, wie etwa Michel Butor, Die

Stadt als Text (Droschl Verlag), oder Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der

Welt (Suhrkamp Verlag). Momentan bin ich aber mit Beethovens Rezeption in der Ersten Republik befasst. 2020 findet Beethovens Jubiläums-Magnum, also das Gedenken an seinen 250. Geburtstag, statt. Viele Publikatio­nen erschienen 1927 im Rahmen der Beethoven-Zentenarfe­ier. Unter anderem drei, die ich gerade lese.

Kurios ist der Festberich­t. Vorgelegt vom Exekutivko­mitee der Feier mit hochtraben­den Festanspra­chen vom Bundespräs­identen Michael Hainisch und Bundeskanz­ler Ignaz Seipel sowie von Regierungs­vertretern der Welt samt Apostolisc­hem Nuntius. Die zwei weiteren: Beet

hoven der Kämpfer, Gedenk- und Mahnrede bei der Beethoven-Feier der Breslauer Sängerscha­ft „Leopoldina“(Autor: Max Koch); und Beethoven der Deut

sche (von Arthur Moeller van den Bruck). Beide 1927 in Deutschlan­d veröffentl­icht. Die Titel sind programmat­isch.

Was bleibt nach der Lektüre, ist der bittere Geschmack der Demagogie, die Verzerrung der Kunst zugunsten übergeordn­eter Parteiprog­ramme sowie starrer Nationskon­strukte. Ein brisantes Thema, das nicht zuletzt Teilaspekt­e der gescheiter­ten Ersten Republik erkennen lässt.

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[ Foto: Stephan Doleschal ]

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