Was bringt eine Leerstandsabgabe?
Faktencheck. Eine der größten Differenzen beider Kandidaten für die Häupl-Nachfolge ist die Forderung nach einer Abgabe für leer stehende Wohnungen.
Michael Ludwig und Andreas Schieder sind inhaltlich nicht so weit voneinander entfernt, wie es der Richtungsstreit in der Wiener SPÖ vermuten lässt – das hat das rote Hearing am Dienstagabend gezeigt. Inhaltlich betrifft einer der größten Unterschiede zwischen dem Wohnbaustadtrat und dem SPÖ-Klubchef im Parlament aber ausgerechnet das Thema Wohnbau.
Schieder kündigte (auch) im „Presse“-Interview eine Abgabe auf leer stehende Wiener Wohnungen von zehn Prozent des Mietvolumens an. So sollen Eigentümer dazu gedrängt werden, Wohnungen rasch zu vermieten. Nebenbei soll mit der Abgabe (teilweise) auch eine neue Wohnbauoffensive finanziert werden. Ludwig dagegen zeigt sich bei diesen Plänen skeptisch: „Dafür müsse man Bundesgesetze ändern“, erklärt er.
Kann Wien diese Abgabe einführen? Und wie viele Wohnungen könnten damit gebaut werden?
Abgabe ist verfassungswidrig
„Die Presse“bat den renommierten Finanzexperten Werner Doralt, emeritierter Vorstand des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien, um eine Einschätzung. Und die fällt klar aus: Die Einführung einer Leerstandsabgabe sei verfassungswidrig und würde vom Höchstgericht sofort aufgehoben werden. „Sie wurde ja bereits einmal aufgehoben.“Damit bezieht sich Doralt auf die Einführung einer Wiener Leerstandsabgabe, die 1985 wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde.
Nur: Seither sind mehr als 30 Jahre vergangen. Außerdem ermöglichen raffinierte rechtliche Konstruktionen oft eine Umgehung. Kann Wien über eine rechtliche Hintertüre eine Leerstandsabgabe einführen? „Nein“, erklärt Doralt: „An der rechtlichen Situation hat sich nichts geändert.“Das Höchstgericht hatte die Leerstandsabgabe damals aufgehoben, weil das Bundeskompetenz sei. Wenn Wien eine Leerstandsabgabe einführe, werde diese wieder sofort vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, so Doralt.
Rein theoretisch: Per Zweidrittelmehrheit im Parlament kann eine Änderung der Kompetenzen von Bund und Ländern beschlossen werden. Dafür müsste die türkis-blaue Bundesregierung den Antrag des roten Wien ohne Änderungen beschließen; was Doralt in Anbetracht der politischen Realitäten als „absurde Vorstellung“bezeichnet; abgesehen davon, dass sich SPÖ und ÖVP selbst als Koalitionspartner nie auf eine Mietrechtsreform einigen konnten.
„Bringt kein Geld“
Die Einführung einer Leerstandsabgabe würde also vom Verfassungsgerichtshof sofort aufgehoben werden. Aber wie viel Geld würde sie (rein theoretisch) für den Bau neuer Wohnungen bringen? „Wenig“, lautet die ernüchternde Antwort von Doralt: „Die Abgabe bringt kein Geld.“Eine Ab- gabe könnte nur Wohnungen betreffen, die längere Zeit, zum Beispiel sechs Monate lang, nicht vermietet werden. „Und kein Vermieter lässt seine Wohnung im Normalfall bewusst lang leer stehen, weil das ein Verlustgeschäft ist“, so Doralt.
Bei unvermieteten Wohnungen würden die Betriebskosten für den Vermieter natürlich weiterlaufen. Und die meisten Wohnungen würden leer stehen, weil sie gerade renoviert werden oder auf eine Vermietung warten. Nebenbei: Von dem Ertrag einer Leerstandsabgabe müssten dann auch noch die Verwaltungskosten dafür abgezogen werden.
Wie viele Wohnungen wären betroffen? Das Wohnbauressort hat das im Auftrag von Bürgermeister Häupl vor einiger Zeit erhoben. Es kam auf 35.000 kurzfristige Leerstände, womit Wien mit 3,5 Prozent im Bereich einer international empfohlenen „Mobilitätsreserve“liegt – da Wohnungen ja erst frei sein müssen, damit jemand einziehen kann. Längerfristig (also von einer Abgabe betroffen) wären nur 10.000 der circa eine Million Wohnungen in Wien, weshalb die Abgabe für Doralt auch wirtschaftlich unsinnig wäre.
Der Experte schlägt als Lösung Bauherrenmodelle vor. Die Wohnungsknappheit entstehe stark, weil (nach der Finanzkrise) viele Menschen bestehende Wohnungen gekauft und vermietet hatten, um ihr Geld zu investieren.
„Das Geld ist dort, wo es nicht hingehört“, so Doralt. Es müsste nicht in den Kauf bestehender, sondern in den Bau neuer Wohnungen umgeleitet werden – wofür es rechtlich und finanziell entsprechende Anreize des Bundes geben müsste.