Wo Bälle zum Politikum werden
Saison. Die Staatsspitze verweigert (teils) den Opernball und in der Walzerstadt herrscht Aufregung. Die Rolle als Polit-Ball übernehmen andere: Jägerball, sogar der Akademikerball.
Die Staatsspitze verweigert (teils) den Opernball. Die Rolle als Politball übernehmen andere, etwa der Jägerball.
Wien. Das Bild hat Tradition: Bundespräsident, Kanzler, Vizekanzler, Begleitungen, Ehrengäste und weitere Regierungsmitglieder, zu Bundeshymne und Eröffnung in der Mittelloge versammelt. Heute könnte das Bild leerer ausfallen. Oder zumindest wenige prominent besetzt, die Staatsspitze verweigert (teils) den Opernball, und das heißt Aufregung in der Walzerstadt.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird freilich erwartet, ob Kanzler Sebastian Kurz kommt ist unklar. Er hat zwar Ballorganisatorin (und nun Nationalrätin) Maria Großbauer in sein Team geholt, aber sein Besuch ist noch offen. Es gab Spekulationen, er wolle Schlagzeilen a´ la Champagner trinken und Sozialleistungen kürzten vermeiden. Oder die Konfrontation mit Demonstranten. Offiziell ist es eine terminliche Frage. Auch darüber hinaus plane Kurz keinen Ballbesuch. Fehlende Zeit nennt auch der Vizekanzler als Grund der Absage: Akademikerball, Jägerball, Polizeiball, „dann reicht’s“, so Heinz-Christian Strache.
Einst hat er den Opernball schon besucht, und da könnte es auch heuer noch anders kommen. Es gab Gerüchte, Kurz bemühe sich um einen richtig berühmten Gast. Merkel, Macron, diese Liga. Und seit vielen Jahren gab es keinen Opernball, an dem nicht Präsident, Kanzler, Vizekanzler teilgenommen haben. Selbst voriges Jahr, als knapp davor Ministerin Sabine Oberhauser gestorben ist, kam Kanzler Christian Kern kurz zur Eröffnung.
Nun ist der Opernball der Staatsball, dass ihn die Staatsoper auszurichten habe, steht im Bundestheaterorganisationsgesetz. Der Präsident hat den Ehrenschutz, auch der Regierung stehen als Ehrenpräsidium je zwei Karten zu. Präsident und Kanzler auch eine eigene Loge, alle anderen müssen dafür zahlen. Könnte die Kanzlerloge heuer leer bleiben? Nein, sie würde ein anderes Regierungsmitglied nutzen. Kanzleramtsminister Gernot Blümel wäre naheliegend, er hat wie Finanzminister Hartwig Löger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck zugesagt.
Für Thomas Schäfer-Elmayer ist ein Ball mit Regierungsverweigerung unvorstellbar. „Ohne Kanzler und Vizekanzler, ich wüsste nicht, wann es das gegeben hätte. Der Opernball ist fast Pflicht, es ist eine schöne Wiener Tradition, sich unters Volk zu mischen. Es wäre ratsam, sich zu zeigen“. Politik am Ball sei alte Tradition: „Seit Joseph II. die Hofburg für Bälle geöffnet hat, wurden Bälle von einem Erzherzog, später einem Minister eröffnet.“Wenn auch am Ball selbst kaum Politik gemacht wird. Dafür sei kein Platz, so Schäfer-Elmayer, da gehe es um Atmosphärisches.
Mit Frack statt Pappnasen
Und, natürlich geht es um Gäste, Promis, Kleider und Gossip: Der Opernball könnte gerade für TVZuseher als Werbeträger Wiens an Attraktivität verlieren, wenn die Spitzenpolitik fehlt.
Lotte Tobisch hält von der Poli- tisierung der Bälle – oder der Frage, wer welchen besucht – nichts: „Es ist schade drum. Der Opernball ist Nostalgie, eine Märchen-Veranstaltung, Folklore wie der Kölner Fasching, nur mit Frack statt Pappnasen. Aber eine schöne Tradition! Man soll sie nicht wegschmeißen. Die sollen kommen, wie es sich gehört, dann lasst’s die Kirche im Dorf. Meine Devise war als Organisatorin: Den Ball ernsthaft machen, aber nicht ernst nehmen. Im Grunde ist es doch komisch, wie sie da stehen, wie zu Kaisers Zeiten. Aber es gehört zu Wien dazu!“
Vielleicht will die Regierung dieses pompöse Bild vermeiden. Mitunter gibt man sich demonstrativ bescheiden: Hauptstadtball St. Pölten, Feuerwehrball Pinkafeld steht in Infrastrukturminister Norbert Hofers Kalender, andere beschränken sich auf Fachbereiche (oder Herkunft): Verteidigungsminister Mario Kunasek geht zum Steirerball und Ball der Offiziere, Finanzminister Löger besucht auch den Ball der Wiener Wirtschaft, Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein Pharmazie- und Ärzteball, andere geben keine Auskunft.
Ballkönig Gernot Blümel
Der inoffizielle Ballkönig der Regierung dürfte übrigens Gernot Blümel werden: In seinem Kalender stehen neun Bälle: vom Hietzinger Bürgerball bis zum Opernball.
Als wichtigste Bälle im politischen Sinn gelten in Wien jedenfalls Philharmonikerball, Kaffeesiederball und Jägerball. Letzterer vor allem als Highlight der Ballsaison der (neuen, jungen) ÖVP: Sebastian Kurz wurde voriges Jahr als Star gefeiert, er kommt heuer nicht. Straches Besuch sorgte vor Jahren für einen Eklat inklusive fliegender Flasche, er kommt dennoch. Erstmals zum Ball mit Regierungsbeteiligung wird heuer der lange geschmähte Akademikerball, wenn auch noch nicht ganz klar ist, wer außer Strache kommen wird. Hofer, einst Gast, hat jedenfalls abgesagt.