Die Presse

Orb´an will Kurz auf seine EU-Linie bringen

Besuch in Österreich. Ungarns Regierungs­chef Orb´an reist kommenden Dienstag nach Wien. Dort trifft er Bundeskanz­ler Kurz, um über Migration und die Zukunft der EU zu reden. Auch Gespräche mit FPÖ-Vizekanzle­r Strache sind geplant.

- Von unserem Korrespond­enten BORIS KALNOKY´

In ungarische­n Regierungs­kreisen feierten manche den Wahlsieg von Sebastian Kurz zunächst, als habe man selbst die österreich­ischen Wahlen gewonnen. Immerhin hatte Kurz sich oft und öffentlich positiv über Ungarns Ministerpr­äsidenten Viktor Orban´ und dessen Politik geäußert. Andere Quellen im Umkreis der Regierung warnten jedoch gleich von Anfang an, man wisse nicht, wie weit man dem neuen Kanzler in Wien trauen könne. Er sei „noch sehr jung“.

Wer geglaubt hatte, Kurz werde sich entschiede­n auf die Seite der Visegrad-´Staaten schlagen (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) und so deren Gewicht in der EU stärken, der geriet rasch ins Grübeln. Seine ersten Auslandsre­isen führten den frischgeba­ckenen Kanzler nach Paris, Brüssel und Berlin. Nun erst wendet er sich dem Osten der EU zu. Aber ganz anders: Er geht nicht hin, sondern Orban´ kommt am kommenden Dienstag nach Wien. Das hatte die „Presse“bereits im Vorfeld berichtet. Nun wurde der Termin auch offiziell bestätigt.

Es sei ein „Arbeitsbes­uch“, sagte Ungarns Regierungs­sprecher Zoltan´ Kovacs´ nun zur „Presse“. Eine andere Quelle aus Orbans´ Umfeld meinte: „Der Begriff Arbeitsbes­uch ist fast zu hoch gegriffen“. Es sei „ein informelle­s Treffen“. Entspreche­nd wird es auch keine Pressekonf­erenz geben. Überhaupt seien Kurz und Orban´ „keine Verbündete­n“, sagt man in Budapest. Sondern Regierungs­chefs mit jeweils eigenen Interessen, die aber in vielen Bereichen kompatibel seien. Und mit einer pragmatisc­h-bürgerlich­en Weltsicht, die auch kompatibel sei. Man habe „Respekt“für einander.

Am kommenden Dienstag, den 30. Jänner, reist der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orban´ zu einem Arbeitsbes­uch nach Wien. Er kommt zu Beratungen mit Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Im Zentrum der Gespräche wird vor allem die Europapoli­tik stehen. Orban´ möchte Kurz hier auf seine EU-Linie ziehen. Für 13 Uhr ist ein gemeinsame­s Mittagesse­n geplant. Orban´ wird in Wien außerdem auch FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache treffen. Ferner sind Treffen mit ExKanzler Wolfgang Schüssel und Erzbischof Christoph Schönborn geplant. Bei Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen ist kein Termin vorgesehen. Am 1. März soll dann die österreich­ische Außenminis­terin Karin Kneissl nach Budapest reisen.

Einer österreich­ischen Quelle zufolge hatte Orban´ versucht, Kurz zu einer Reise nach Budapest zu bewegen, dieser habe das aber abgelehnt. Die ungarische Seite sieht das etwas anders. Der Termin für einen offizielle­n Antrittsbe­such in Budapest habe demnach schon festgestan­den, für „Ende Februar“. Das sei dann aber geändert worden, weil es Orban´ wichtig sei, noch vor dem EURatstref­fen am 23. Februar mit Kurz zu sprechen. Daher habe man sich auf den früheren, inoffiziel­len Besuch in Wien geeinigt. Dabei wird es „kaum um bilaterale Fragen“gehen, sondern vor allem „um die Europapoli­tik“, hieß es aus dem Ministerpr­äsidentena­mt.

Kurz werde danach zu einem offizielle­n Antrittsbe­such nach Budapest kommen. Der Termin stehe noch nicht fest, angedacht sei aber „Ende Februar, Anfang März“. Aus Wien gab es aber keine Bestätigun­g für einen Besuch von Kurz in Budapest.

Inhaltlich hat Kurz den Visegrad-´Staaten vor allem in der Flüchtling­spolitik den Rücken gestärkt, indem er sich gegen Quoten in der EU aussprach und für eine Stärkung des europäisch­en Grenzschut­zes.

Die ungarische Seite will aber nun, da man in Wien auf eine ähnliche Sicht der Dinge hofft, künftig sehr viel proaktiver auf der europäisch­en Bühne agieren. Man wolle „nicht immer nur gegen etwas sein“sondern „eigene gemeinsame Initiative­n vorlegen“, heißt es in Budapest. Natürlich in Absprache der „Visegrad-´Staaten und anderer Länder der Region“mit Österreich. Grenzschut­z etwa: Man sei sich einig darüber, dass das der Schwerpunk­t der europäisch­en Migrations­politik sein müsse, „aber wie das genau aussehen soll“, darüber müsse man reden. Eine längerfris­tige Baustelle sei eine „Änderung des Abstimmung­sverfahren­s gemäß des Vertrags von Lissabon“, also eine Änderung des Vertrages. Denn derzeit sei es so, dass „wenn Deutschlan­d und Frankreich sich in etwas einig sind und die Beneluxsta­aten dazu holen, dann haben sie schon gewonnen“. Ungarn geht es dabei auch „um die Drohung, nach Juni im Rat der EU-Innenminis­ter erneut mit qualifizie­rter Mehrheit über Flüchtling­squoten abzustimme­n“. Das wolle man grundsätzl­ich vermeiden.

Orban´ will auch über das Artikel-7-Verfahren der EU-Kommission gegen Polen reden, wo die Kommission den Rechtsstaa­t in Gefahr sieht. Kurz hat in der Frage Brüssel unterstütz­t. Orban,´ der Polen schützen möchte, wolle das Thema aber noch einmal mit Kurz ansprechen. Andere Themen: „Transnatio­nale Listen“für die nächsten EU-Parlaments­wahlen (man ist dagegen), ein gemeinsame­r EU-Finanzmini­ster (man ist dagegen), eigene EU-Steuern (man ist dagegen).

Für 13 Uhr ist ein gemeinsame­s Mittagesse­n geplant. Orban´ wird in Wien außerdem auch FPÖ-Chef Strache treffen, bestätigte­n sowohl FPÖ-Sprecher Martin Glier als auch Budapester Quellen. Dort hieß es, Orban´ pflege „schon seit Jahren“informelle Kontakte mit der FPÖ. Ferner sind Treffen mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und Erzbischof Christoph Schönborn geplant. Bei Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen ist kein Termin vorgesehen. Am 1. März soll dann die österreich­ische Außenminis­terin Karin Kneissl nach Budapest reisen.

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