Die Presse

Donald Trumps blutiger Krieg in Somalia

Anti-Terror-Kampf. In den vergangene­n sechs Monaten haben die USA mehr Angriffe gegen al-Shabaab geflogen als im gesamten Jahr 2016. Die UNO befürchtet, hohe zivile Opferzahle­n könnten der Terrormili­z in die Hände spielen.

- VON JULIA RAABE

Washington/Mogadischu. Fünf Tage nach Donald Trumps Amtsantrit­t wandte sich Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis mit einer besonderen Bitte an den neuen US-Präsidente­n. Der Pentagon-Chef schlug vor, einige Einschränk­ungen für Angriffe gegen Extremiste­n in Somalia aufzuheben, wie Anwesende der „New York Times“damals schilder- ten. Im März gab Trump grünes Licht für ein deutlich aggressive­res Vorgehen gegen die Terrormili­z alShabaab. Und damit für eine beispiello­se Serie von Luftangrif­fen, bei denen nach Recherchen des britischen „Guardian“auch Dutzende Zivilisten ums Leben kamen.

Während die erste Jahreshälf­te 2017 vergleichs­weise ruhig verlief, flog das US-Militär innerhalb der vergangene­n sechs Monate 34 Luftangrif­fe in Somalia – mindestens doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2016. Dazu zählt auch ein besonders schwerer Schlag gegen alShabaab, bei dem mehr als 100 Extremiste­n getötet worden sein sollen. In den meisten Fällen kamen Kampfdrohn­en zum Einsatz, auf die schon Trumps Vorgänger Barack Obama setzte, um Terrorgrup­pen gezielt zu attackiere­n.

Mehrfach führten US-Spezialkrä­fte auch Bodenopera­tionen mit der somalische­n Armee aus. Unter Trump hat sich die Anzahl der USSoldaten in Somalia mit mehr als 500 verdoppelt: die höchste Zahl seit 1993, als zwei Black-Hawk- Hubschraub­er in Mogadischu abgeschoss­en wurden und 18 US-Militärs ums Leben kamen. Hauptaufga­be der US-Kräfte ist es, die somalische Armee auszubilde­n und bei Einsätzen zu beraten. Zum ersten Mal seit 1993 hatten die USA in diesem Jahr ein Todesopfer in Somalia zu beklagen: Im Mai kam ein Soldat der Eliteeinhe­it Navy Seals bei einem Kampfeinsa­tz ums Leben.

IS-Kämpfer im Visier

Während al-Shabaab dem Terrornetz­werk al-Qaida zugerechne­t wird, findet auch der Ableger des Islamische­n Staates (IS) in Somalia laut Experten Zulauf. Im November nahmen US-Streitkräf­te erstmals IS-Kämpfer ins Visier, deren Zahl in Somalia auf derzeit rund 200 geschätzt wird. Der Angriff erfolge drei Tage, nachdem ein IS-Anhänger in New York mit einem Pick-upTruck in Menschen gerast war.

Laut dem „Guardian“kamen allein bei fünf Luftangrif­fen auf Extremiste­n seit Juli mehr als 50 Zivilisten ums Leben, oder wurden verletzt. In mindestens zwei dieser An- griffe seien US-Kampfflugz­euge involviert gewesen, schreibt das Blatt. Die Dunkelziff­er liege vermutlich viel höher. Attacken fliegen auch regionale Verbündete der USA, laut UNO allen voran Somalias Nachbarlan­d Kenia, das zusammen mit sieben anderen afrikanisc­hen Staaten Soldaten für Friedensmi­ssionen der Afrikanisc­hen Union stellt.

Das härtere Vorgehen der USA in Somalia basiert auf der Entscheidu­ng Trumps, Teile des Landes zur Kampfzone zu erklären. Das erlaubt es dem Kommandant­en am Boden über einen Luftangrif­f ohne Prüfung durch höhere Stellen zu entscheide­n. Auch fiel die Einschränk­ung weg, dass jede Zielperson eine spezifisch­e Bedrohung für Amerikaner darstellen müsse.

Der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, Zeid Ra’ad alHussein, warnte im „Guardian“davor, zivile Opfer in Kauf zu nehmen. Das untergrabe das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Regierung und die internatio­nalen Verbündete­n und könne den Extremiste­n in die Hände spielen.

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