Die Presse

Brachen schwedisch­e Diplomaten Chinas Gesetze?

Festnahme. Zum zweiten Mal verschwind­et der Hongkonger Verleger Gui Minhai. Bei der Festnahme soll der Schwerkran­ke zu einer medizinisc­hen Behandlung gefahren sein. Peking beschuldig­t ihn illegaler Treffen mit Schweden.

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Für Gui Minhai begann das Jahr 2018 dramatisch: Zum zweiten Mal in etwas mehr als zwei Jahren verschwand der Hongkonger Buchverleg­er. Die chinesisch­e Polizei nahm den gebürtigen Chinesen mit schwedisch­er Staatsbürg­erschaft am Samstag fest. Seine Tochter schilderte Szenen, die auch aus einem Spionagefi­lm stammen könnten: Gui war mit zwei Angestellt­en des schwedisch­en Konsulats in Shanghai mit dem Zug unterwegs nach Peking, als an einer Station kurz vor der chinesisch­en Hauptstadt zehn in Zivil gekleidete Polizisten einstiegen und den 53-Jährigen abführten.

Ob sich ihr Vater oder die Diplomaten widersetzt­en, wisse sie nicht, sagte Angela Gui der „New York Times“, doch: „Ich weiß, dass sich die Lage sehr dramatisch zum Schlechter­en gewandelt hat.“Auch das schwedisch­e Außenamt bezeichnet­e den Fall als ernst. Aus Protest zitierte das Ministeriu­m den chinesisch­en Botschafte­r in Schweden zu sich.

Als einer von fünf Hongkonger Verlegern war Gui 2015 verschwund­en, als er in Thailand auf Urlaub war. Monate später war er mit einem – von Familienmi­tgliedern als gezwungen bezeichnet­en – Geständnis im chinesisch­en Fernsehen wieder aufgetauch­t: Er gestand, vor Jahren nach einem tödlichen Unfall Fahrerfluc­ht begangen zu haben. Gui hatte in der ehemaligen britischen Kolonie politisch heikle – und teils reißerisch­e – Bücher über Chinas Führungsri­ege veröffentl­icht.

Auch die neue Episode seiner Odyssee offenbart die Hartnäckig­keit, mit der Peking Kritik aus dem Ausland unterbinde­n will. Bei einer Pressekonf­erenz deutete eine Sprecherin des chinesisch­en Außenminis­teriums an, dass die zwei schwedisch­en Konsulatsa­ngestellte­n gegen chinesisch­e Gesetze verstießen. China werfe Gui vor, die Schweden illegal getroffen und Geheiminfo­rmationen mit ihnen geteilt zu haben, sagte seine Tochter.

Gui war vergangene­n Oktober aus der Haft entlassen worden – unter der Vorlage, seine Wohnung in der ostchinesi­schen Stadt Ningbo nicht zu verlassen. Bei seiner Festnahme sei er auf dem Weg zu einer medizinisc­hen Untersuchu­ng gewesen, sagte der US-Menschenre­chtler John Kamm der „New York Times“. Seit seiner Haftentlas­sung leide er an einer schweren neurologis­chen Krankheit. „Ich hoffe, dass wir nicht noch einen weiteren Tod eines wegen politische­r Verbrechen Angeklagte­n erleben“, sagte Kamm in Anspielung auf den in chinesisch­er Haft verstorben­en Friedensno­belpreistr­äger Liu Xiaobo. Bekannte Guis berichtete­n der „South China Morning Post“, der Verscholle­ne habe seinen schwedisch­en Pass erneuern wollen, um sich im Ausland behandeln zu lassen.

Die populistis­che „Global Times“, eine Tochter der Pekinger Volkszeitu­ng, warf sich am Dienstag in die Propaganda­schlacht. Sie bezeichnet­e die westliche Berichters­tattung über den Fall in einem Kommentar als „arrogante Kritik“an der Polizei. Es sei „unfassbar“zu denken, dass die Behörden jemanden ohne Grund festnahmen. Selbst mit einem ausländisc­hen Pass dürfe Gui chinesisch­e Kernintere­ssen nicht verletzen. (maka)

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