„I bin a Süßer“, oder: Mission Auffallen
Niederösterreich I. Mit Selbstbewusstsein, Ironie und einem Wahlgeschenk mit der Aufschrift „Die Absolute geht mir aufn Sack“wirbt Franz Schnabl für seine Partei. Und seinen Bekanntheitsgrad.
Um zu wissen, welche eine der größten Hürden für Franz Schnabl im Wahlkampf ist, muss man ihn bei seinen Werbeterminen nicht lange begleiten. Schon die erste Person, der er ein Papiersackerl mit der Aufschrift „Die Absolute geht mir aufn Sack“in die Hand drückt, fragt ihn: „Wir kennen uns aber nicht, oder?“Schnabl verneint, fragt dann ein bisschen hoffnungsvoll: „Sind Sie denn aus Wien?“Aber nein, der Mann stammt aus Fischamend.
Kurz zuvor hat Schnabl erzählt, wie lange er schon durch Niederösterreich tourt – auch, um seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Es ist eine der wichtigsten Missionen für den 59-jährigen SPÖ-Spitzenkandidaten in Niederösterreich. Nur so kann er seine beiden Ziele erreichen: Die „Absolute der ÖVP brechen“, wie er es nennt. Und ein leichtes Plus für seine Partei.
Der Wagen seines Teams hat seit August daher schon 72.000 Kilometer zurückgelegt. Schnabl selbst besucht, wie er sagt, 15 Stunden pro Tag Betriebe oder Feste, hält reden auf Wahlkampfveranstaltungen oder verteilt Infomaterial. So wie an diesem Dienstag, in einem Einkaufscenter in Bruck an der Leitha.
Dass Schnabl müde ist, wie er zuvor bei einer Gulaschsuppe erzählt, lässt er sich dabei nicht anmerken. Im Gegenteil, er spaziert selbstbewusst von Geschäft zu Geschäft. Ohne Scheu, das Personal anzusprechen. „Küss die Hand“, sagt er zu der einen Verkäuferin. „Der Fesche am Sackerl da bin ich“, zur anderen. Drinnen gebe es Schnitten, „weil i bin a Süßer“.
Viele sind es nicht, aber den einen oder anderen Kunden trifft Schnabl an diesem späten Vormittag dann doch in den Geschäften. Er begutachtet den Einkauf: „Aha, ein beheizter Wimpernformer.“Ihm wäre das Augenmassagerät lieber – „wenn ich wieder einmal müde bin“. Einer anderen Frau hilft er, die Kartons ins Auto zu laden. Sie reagieren alle freundlich, aus dem Weg geht ihm niemand.
Um Politik geht es, wenn überhaupt, nur nebenbei. Mit der Mitarbeiterin, die im Schuhgeschäft gerade 50-Prozent-Pickerl auf Aktionsware klebt, scherzt Schnabl: „Ich pick mir eines auf die Jacke. So viel Prozent will ich auch haben.“
Einen Mangel an Selbstironie kann man ihm wirklich nicht vorwerfen. Das erklärt vielleicht auch die Plakate, die wohl für mehr Aufregung sorgen als der Spitzenkandidat selbst: Einmal zeigt der Kandidat die Zunge, ein anderes Mal das „Victory“-Zeichen mit den Fingern – das übrigens der eine oder andere Niederösterreicher auf der Straße schon einmal zurück zeige. Auch das passt zur Mission: Auffallen. Denn dass Schnabl keine leichte Aufgabe übernommen hat, weiß er selbst. SPÖ-Chef in Niederösterreich zu sein, das ist ein bisschen David gegen Goliath. Mit dem Unterschied, dass Goliath am Ende gewinnt, und beide in einer Proporzregierung enden.
Je nach Sichtweise ist die Ausgangslage für die SPÖ also bescheiden – oder birgt zumindest manche Hoffnungen. Denn in den vergangenen Jahren ging es für die Sozialdemokratie immer weiter bergab: 2008 stürzte Heidemaria Onodi um acht Prozentpunkte. Josef Leitner fuhr 2013 nur 21,6 Prozent – und damit das historisch schlechteste SPÖ-Ergebnis in Niederösterreich ein. Zumindest ein leichtes Plus sollte nun also zu erreichen sein.
Die ÖVP blieb in den vergangenen 15 Wahlen hingegen seit 1945 nur viermal unter der 50-ProzentGrenze. Der Wechsel von Johanna Mikl-Leitner zu Erwin Pröll bietet aber auch eine Chance. Der Langzeit-Landeshauptmann ist politische Geschichte – und nun könnte die absolute Mehrheit tatsächlich nicht mehr erreicht werden. Allerdings will das nicht nur Schnabl, sondern auch die FPÖ: Die Partei ist zwar in Niederösterreich traditionell sehr schwach, könnte dieses Mal aber den Rückenwind aus dem Bund nutzen.
Laut einer „market“-Umfrage für den „Standard“würde Schnabl bei einer fiktiven Direktwahl für den Landeshauptchef nur auf 13 Prozent kommen – und in seiner eigenen Parteiwählerschaft lediglich auf 52 Prozent. Jeder siebente SPÖAnhänger würde in einer Direktwahl für die Mikl-Leitner stimmen. Um das zu ändern, müsste Schnabl wohl auch hier bekannter werden. Und auffallen.