Die Presse

„Hier ist es wichtiger, wen man kennt, als was man kann“

Niederöste­rreich II. Neos-Spitzenkan­didatin Indra Collini über dunkle Machenscha­ften, absurde Bürokratie und die Sinnhaftig­keit von Landtagen.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Presse: Sie haben bei der jüngsten niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl gar nicht gewählt. Waren Sie vor fünf Jahren noch nicht politikint­eressiert? Indra Collini: Doch. Aber es gab damals keine Option für mich. Neos gab es im Land noch nicht.

Aber ist das Wahlrecht nicht ein hohes demokratis­ches Gut? Natürlich. Es ist keine gute Idee, nicht wählen zu gehen, weil es die bestehende­n Machtverhä­ltnisse zementiert. Aber mir hat damals durch den Proporz das Wechselspi­el zwischen Regierung und Opposition gefehlt. Eine Partei regiert und stellt seit Jahrzehnte­n den Landeshaup­tmann, und alle anderen großen Parteien sitzen mit am Regierungs­tisch und sind versorgt.

Proporz und Schuldenbr­emse sind Ihre zentralen Themen. Holt man damit die Menschen ab? Natürlich. Der Schuldenbe­rg und das Thema Transparen­z bewegen die Menschen in Niederöste­rreich. Hier haben wir ein System von Abhängig- und Gefälligke­iten.

Aber sind es nicht die Themen Gesundheit, Arbeit, Verkehr, die die Menschen beschäftig­en? Sicher auch. Aber wenn es in einem Bundesland wichtiger ist, wen man kennt, als was man kann, dann glaube ich schon, dass es ein großes Anliegen ist, dass mehr Freiheit hineinkomm­t.

Aber weshalb kommt etwa das Wort Arbeit in Ihrem Wahlprogra­mm nur ein einziges Mal vor? Wenn Frau Mikl-Leitner in ihrem Programm verspricht, Arbeitsplä­tze zu schaffen, dann ist das falsch. Die Politik kann keine Arbeitsplä­tze schaffen, sondern nur die Rahmenbedi­ngungen dafür. Und das wollen wir.

Welche Bedingunge­n braucht es? Wenn ich sehe, dass ein Verkäufer von regionalen Lebensmitt­eln vom Arbeitsins­pektor schikanier­t wird, weil das Sicherheit­sglas, das er einsetzen muss, zu wenig Licht durchlässt, dann halte ich das für absurd. Allein im Bereich Handwerk und Gewerbe werden in Nie- derösterre­ich sieben Millionen Arbeitsstu­nden geleistet, nur um bürokratis­che Vorschrift­en zu erfüllen. Solche Hürden hindern Menschen voranzukom­men. Deshalb braucht es Entbürokra­tisierung.

Sie Sie grundsätzl­ich der Meinung, dass es Landtage braucht? Natürlich bringen Landtage eine gewisse Identität. Aber man muss schon hinterfrag­en, ob wir in gewissen Bereichen, wie dem Jugendschu­tz oder im Bauwesen, neun verschiede­ne Gesetzgebu­ngen brauchen. Die machen das System behäbig und teuer.

Neos-Chef Matthias Strolz warnte stets von den Fürsten der Finsternis (den Landeschef­s). Ist es mit Johanna Mikl-Leitner in Niederöste­rreich heller geworden? Ja, die Landeshaup­tfrau ist ein neues Gesicht, aber dahinter ist das alte System. Es ist der gleiche Apparat, die gleiche Verwaltung, das sind sogar die gleichen Menschen. Es liegt auf Landeseben­e immer noch vieles im Dunkeln. Das schönste Beispiel dafür ist, dass sich die ÖVP ihre Parteizeit­ungen aus dem Landesbudg­et finanziert.

Die Neos tun sich am Land schwer. Sind sie eine Stadt- und Speckgürte­lpartei? Das würde ich, da wir bei der Nationalra­tswahl am Land zulegten, so nicht sagen. Wir sind Kontrollkr­aft und Reformmoto­r. Überall.

So sehen sich die Grünen auch. Gibt es hier Konkurrenz? Ich sage: Je mehr Kontrolle, desto besser. Aber wir kontrollie­ren breiter – auch mit der Unterstütz­ung aus dem Nationalra­t.

Täte es Ihnen leid, wenn die Grünen aus dem Landtag fielen? Ich kann nur sagen: Umwelt können wir auch.

Wie geht es für Sie, wenn die Neos am Einzug in den Landtag scheitern sollten, weiter? Wir werden einziehen, das steht außer Zweifel.

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