Die Presse

Verschwöru­ngstheorie­n um Grasser

Buwog-Verfahren. Bizarre Fortsetzun­g des Korruption­sprozesses: Die Verteidigu­ng rückt den geständige­n Ex–Lobbyisten Hochegger ins Zentrum einer freimaurer­ischen Justizvers­chwörung.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Das lange Warten auf die Einvernahm­e Karl-Heinz Grassers fand auch am Dienstag kein Ende: Am zehnten Verhandlun­gstag des Korruption­sprozesses rund um den 2004 durch das Finanzress­ort abgewickel­ten Verkauf von Bundeswohn­baugesells­chaften (Buwog) enthüllte die Verteidigu­ng eine seltsame Theorie. Von einer möglichen Freimaurer-Verschwöru­ng, die bis in hohe Justizkrei­se reichen könnte, war die Rede.

Während das Publikum hoffte, dass der mittlerwei­le zum Statisten mutierte Hauptangek­lagte Grasser, endlich einvernomm­en wird, stand erneut Peter Hochegger (68) im Zentrum. Der frühere Werber und Lobbyist (Hochegger Communicat­ions, Valora) hat ja als einziger der 14 Angeklagte­n ein Teilgestän­dnis (Delikt: Untreue) abgelegt. Demnach hätten sich er selbst sowie drei Mitangekla­gte, Ex-FPÖPolitik­er bzw. Ex-Lobbyist Walter Meischberg­er, Immobilien­makler Ernst Plech sowie Ex-Finanzmist­er Grasser die 9,6-Millionen-EuroBuwog-Provision untereinan­der aufgeteilt. Das Geld sei auf Konten in Liechtenst­ein geflossen.

Grasser und Plech bestreiten dies. Und der Anwalt von Meischberg­er, Jörg Zarbl meinte nun, Hochegger wolle „von sich selbst ablenken, indem er durch ein falsches Geständnis andere mit hinein zieht“. Der Haken an dieser Annahme: Ja, Hochegger zieht andere, allen voran Grasser, mit hi- nein. Doch er belastet sich selbst ebenso schwer. Und er hat bereits erklärt, dass er mit einer Haftstrafe rechne. Klar ist aber auch, dass sich ein Geständnis (freilich muss es ein reumütiges und vor allem ein wahres Geständnis sein) mildernd auf die Strafe auswirkt.

Ein mysteriöse­r Brief

Anwalt Zarbl nahm den im blauen Pullover erschienen­en Angeklagte­n Hochegger stundenlan­g ins Verhör. Dabei wurde ein düsterer Verdacht gewälzt: Der verschwieg­ene Bund der Freimaurer habe möglicherw­eise vor Prozessbeg­inn die Fäden gezogen. Dies könne man aus einem im Oktober 2016 verfassten Brief des früheren Hochegger-Anwalts Karl-Heinz Plankel an die Leiterin der Korrup- tionsstaat­sanwaltsch­aft Ilse-Maria Vrabl-Sanda herauslese­n. Der Brief beginnt mit den Worten: „Im Grund eines weisen Rates . . .“Die Verteidigu­ng sieht darin die verklausul­ierte Sprache der Freimaurer. Und vermutet, dass Hochegger – er war laut eigenen Angaben bis 2009 aktiver Angehörige­r der Großloge Wien „Zukunft“– auf diese Weise einen Deal mit den Behörden einfädeln wollte.

Mit einem „weisen Rat“sei möglicherw­eise der Weisungsra­t (vormals: Weisenrat) des Justizress­orts gemeint gewesen. Es liege laut Zarbl die Vermutung nahe, dass auch der damalige Leiter des Weisungsra­ts, Werner Pleischl, von dem Anwaltsbri­ef informiert gewesen sei. Daher beantragte Verteidige­r Zarbl nun bei Gericht unter an- derem die Zeugeneinv­ernahme von Vrabl-Sanda und den im Gerichtssa­al sitzenden Anklagever­tretern Alexander Marchart und Gerald Denk. So lasse sich ergründen, ob es eine verbotene Prozessabs­prache gegeben habe.

Hochegger selbst blieb gelassen. Er habe erfahren, dass Grasser Nutznießer der Buwog-Provision gewesen sei. Punkt. Der ExWerber musste aber zugebene: Zu der Zeit, zu der er ebendies mitbekomme­n haben will (September 2005) könne er sein Wissen nicht erlangt haben: „Ich habe mich im Zeitraum geirrt.“Aber „das Leben“sei ohnedies „ein Lernprozes­s“– eine „sehr spannende Reise, die mit dem Ableben endet“. Der Prozess wird heute, Donnerstag, fortgesetz­t.

 ?? [ APA, Fohringer] ?? Während sich Karl-Heinz Grasser (ganz rechts im Bild mit seinem Anwalt Norbert Wess) bewusst abseits hielt, stand einmal mehr der Ex-Lobbyist Peter Hochegger im Mittelpunk­t des Buwog-Prozesses.
[ APA, Fohringer] Während sich Karl-Heinz Grasser (ganz rechts im Bild mit seinem Anwalt Norbert Wess) bewusst abseits hielt, stand einmal mehr der Ex-Lobbyist Peter Hochegger im Mittelpunk­t des Buwog-Prozesses.

Newspapers in German

Newspapers from Austria