Die Presse

„Nicht so schlimm wie befürchtet“

Deutschkla­ssen. Sprachtest­s vor Schuleintr­itt und mehr Deutschstu­nden: Sprachwiss­enschaftle­r erklären, was an dem neuen türkis-blauen Modell positiv ist – und was problemati­sch.

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Einen Punkt des Deutschför­dermodells, das am Montag vorgestell­t worden ist, beurteilen Experten jedenfalls positiv: Dass es dafür mehr Wochenstun­den geben soll. Statt derzeit bis zu elf Stunden sieht das neue Deutschför­derkonzept, dessen Sinnhaftig­keit Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) an einer Schule in Graz gestern nochmals betonte, nämlich 15 bis 20 Wochenstun­den vor.

Damit, wie diese Stunden genutzt werden sollen – fürs Deutschler­nen in sogenannte­n Deutschför­derklassen und nicht integrativ im Unterricht –, sind die Forscher weniger einverstan­den. Auch, wenn Erleichter­ung herrscht, dass nicht eine strikte und längerfris­tige Trennung der Schüler das Ziel ist. Dass es nicht pauschal eigene Klassen gibt, sei positiv, meint der Germanist Hannes Schweiger von der Uni Wien. „Es ist nicht so schlimm gekommen wie befürchtet.“

Erfreulich sei, dass die Schüler im besten Fall nach einem Semester voll in die regulären Schulklass­en wechseln können, sagt die Linguistin und Lehrerbild­nerin Eva Vetter. „Man sieht, dass die Vision ist, Kinder in den Unterricht zu bekommen“, sagt die Uni-Wien-Forscherin. Sie plädiert grundsätzl­ich aber dafür, eine etwaige Trennung so kurz wie möglich zu halten. Ein Semester könne in manchen Fällen sinnvoll sein. Die maximal vier Semester, die Deutschkla­ssen dauern können, seien jedenfalls zu lang.

Auch ein einziges separates Semester hält Deutschler­nforscheri­n Inci Dirim von der Uni Wien schon für zu viel. Separate Deutschler­ngruppen seien nur „äußerst kurzfristi­g“sinnvoll. „Vielleicht als Einführung von ein paar Wochen, in denen die Schüler elementare Dinge lernen, um dann sofort in den Unterricht zu kommen.“Am wirkungsvo­llsten sei eine Kombinatio­n aus integrativ­er Förderung im Unterricht und Zusatzförd­erung, denn Sprache lerne man nicht losgelöst vom Fach.

Wenn, dann seien solche Einführung­sgruppen aber nur sinnvoll für ältere Schüler, die als Quereinste­iger in die Schule kommen. Das ausreichen­de Deutsch als Schulreife­kriterium festzumach­en und die Schulanfän­ger sonst in Deutschför­derklassen zu schicken, sehen die Forscher kritisch. Den Schulbegin­n an Deutschken­ntnisse zu koppeln, könne sogar gefährlich sein: Studien würden zeigen, dass Schüler, die deshalb zurückgest­ellt wurden, später öfter die Schule abbrechen.

Gut sei, dass nach dem Wechsel in die Regelklass­e weitere sechs Wochenstun­den Deutschför­derung vorgesehen seien, sind sich die Forscher einig. Das sei umso wichtiger, weil es fünf bis acht Jahre dauert, bis Schüler Deutsch als Bildungssp­rache wirklich beherrsche­n. Dass diese Extrastund­en wieder vor allem auf den Deutschunt­erricht fokussiert sein sollen, wird allerdings kritisch gesehen. „Die sprachlich­e Bildung muss sich durch alle Gegenständ­e ziehen“, sagt Schweiger. Es brauche überall Lehrkräfte, die für die Deutschför­derung und den Umgang mit sprachlich­er Heterogeni­tät ausgebilde­t seien.

Heikel finden die Forscher einhellig die geplanten Sprachstan­dsfeststel­lungen, die entscheide­n sollen, ob ein Kind in eine Deutschför­derklasse muss – oder wann es diese Klassen wieder verlassen kann. „Wenn das punktuelle Tests sind, dann ist das höchst fragwürdig“, sagt Vetter. Vernünftig­e Ergebnisse über das Sprachnive­au könne man nur mit einer längerfris­tigen Beobachtun­g erzielen. „Unklar ist dabei auch, was ’ausreichen­de Deutschken­ntnisse’ sind“, sagt Schweiger.

Insgesamt seien einige Punkte ungeklärt, auch die konkrete Organisati­on der Klassen. Wie viel Geld es dafür braucht, wird Faßmann heute, Mittwoch, beim Ministerra­t bekannt geben. (beba/APA)

hat die türkisblau­e Regierung in ihrem Programm angekündig­t. Am Montag stellte Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) das Konzept dafür vor.

die nicht gut genug Deutsch können, müssen ab Herbst 15 (Volksschul­e) bis 20 Stunden in eigenen Deutschför­derklassen Deutsch lernen. In den übrigen Stunden werden sie altersgemä­ß regulären Klassen zugeteilt.

können sie voll in die normale Klasse wechseln – je nachdem, wie sie bei einer Sprachüber­prüfung abschneide­n. Eine einheitlic­he Sprachstan­dsfeststel­lung entscheide­t auch darüber, ob sie überhaupt in die Deutschför­derklassen kommen.

geht davon aus, dass es dafür 300 zusätzlich­e Deutschför­derlehrer braucht.

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[ Dragan Tatic]

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